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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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wüsste es ebenso wie alle anderen, und das Erste, was ich tat, war, es Bakewell zu erzählen, der aus allen Wolken fiel.
    Gestern am frühen Morgen ist er an Bord gekommen. Er soll noch Proviant und Ausrüstung inspiziert, die Hunde und Motorschlitten in Augenschein genommen haben und dann in seiner Kajüte verschwunden sein, um sich auszuruhen. Seit dem Nachmittag empfing er dort einzeln die Männer.
    Und fast alle waren bereits dort gewesen, Green, How, McLeod, die Forscher und die Ärzte genauso wie die Heizer. Wer noch übrig war, dem wurde per Zuruf oder Kopfnicken Bescheid gegeben, der stellte sein Glas hin und verließ wortlos das Ritz. Ich war mit meiner Arbeit fertig und setzte mich an den Tisch. Mrs. Chippy, die Katze von Schiffszimmermann Chippy McNeish, lief darauf herum und vollführte ihre abendliche Streichelrunde. Frank Hurley baute eine Kamera auseinander und putzte die Einzelteile. Ein Trio spielte Karten. Der Hüne Tom Crean, seit Scotts letzter Expedition Träger der Tapferkeitsmedaille, das Idol meines Bruders, derselbe Tom Crean zwinkerte mir zu. Diese Kerle, die überall in der Welt gewesen sind, die selbst Amundsen persönlich kennen und die, wäre nur eine Hand voll von ihnen an Bord gewesen, dafür gesorgt hätten, dass die JOHN LONDON nicht untergeht, sie taten alles, um mir das Gefühl zu geben, dass ich bald einer von ihnen sein würde.
    Trotzdem dachte ich nur eins: Ich dachte an den alten Simms und seine Warnung. Nun bin ich es doch, dachte ich: Nauke bin ich!
    Als Bakewell an der Reihe war und ins Ritz zurückkam, habe ich in seinem Gesicht gesehen, was die Stunde geschlagen hat. Wir sind an Deck gegangen. Er sagte, dass er unterschrieben habe. Und dass der Sir die Verantwortung für mich nicht übernehmen wolle. Shackleton tue es leid, aber mit meinen siebzehn Jahren sei ich schlicht zu jung.
    Â»Gut«, sagte ich so kaltblütig wie möglich. »Wann legt ihr ab?«
    Wir standen in einem finsteren Winkel am Schanzkleid. In der Dunkelheit konnte ich nur Bakewells Silhouette sehen. Er sah auf den Fluss und sagte nichts, und in der Stille hörte man, wie weiter vorn die Hunde in ihren Zwingern scharrten, bevor sie sich zusammenkugelten, um zu schlafen.
    Plötzlich sagte er ernst: »Hör zu, Merce. Hör mir einfach zu und halt die Klappe, wenn ich dir jetzt etwas erzähle! Wir stechen morgen Mittag in See, und wo ich wir sage, meine ich wir. Ich habe mit McLeod und How geredet – sie sind mit von der Partie. Du schnappst dir deinen Kram und bist um drei Uhr früh an der Pier. McLeod wird dich holen. How und ich übernehmen die Wache um vier. Ihr zwei geht unter Deck, und McLeod zeigt dir den Ölzeugspind. Da bleibst du, bis wir auf See sind und ich dich an Deck hole.«
    Viel Zeit zu überlegen blieb mir nicht. Ich hatte an Bord nichts mehr zu suchen, und in Kürze begann die Nachtwache.
    Â»Okay, du musst es wissen«, sagte er. »Ist eine heikle Sache, seh ich ein. Pass auf: Ich muss runter, sonst kriegt der Bos’n was spitz. Machen wir’s so: Du zählst bis hundert und überlegst dir die Sache. Dann kommst du entweder runter und verabschiedest dich brav von deinem alten Freund Bakie, der dich innig liebt, was du hoffentlich nicht vergessen hast, oder … oder du holst deinen aufklappbaren Holzfisch und dein restliches Zeug und bist Punkt drei an der Pier.«
    Â»Den Fisch habe ich dabei«, sagte ich trotzig.
    Â»Na also. Brauchste nur noch die Hälfte überlegen.«
    Damit wischte er mir einmal über den Scheitel und ging. Schon war er weg.
    Und ich fing an zu zählen.
    Aber … man kann ja gar nicht überlegen, wenn man zählt. Nur die Zahlen tanzen einem vor dem geistigen Auge herum. Bei mir kommt dazu, dass ich bei Zahlen an das rote Buch von Mister Muldoon denke. Schon denke ich an Ennid und werde wieder so traurig. Und ich wollte nicht traurig und erst recht nicht bemeitleidenswert sein. Wollte ich nicht!
    Deshalb ließ ich das Zählen bleiben und stellte mir stattdessen die Frage, was passieren musste, damit ich zufrieden und vielleicht ja sogar glücklich wäre.
    Zweierlei fiel mir ein: zusammen mit Bakewell dorthin zu segeln, wo kein Krieg ist. Und den kennen zu lernen, von dem sie alle bloß im Flüsterton sprachen: Shackleton.

7
Heizerhände
    J etzt muss ich doch eingeschlafen sein. Was war das? Jemand macht sich an den

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