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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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tags ist es so heiß, dass einem nach wenigen Schritten in den von Vogelleim weißen Gassen der Schädel brummt. In unserem Pensionszimmer unterm Dach schliefen Bakewell und ich von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends, und wenn ich aus dem Fenster sah, stand dort eine Platane, die keine Blätter hatte, sondern voller kleiner grüner Vögel war: Bei Krach in der Straße erhob sich die ganze Krone des Baumes in die Luft, um nur wenige Augenblicke später wieder auf das nackte Geäst zu sinken. Über solchen Dingen haben wir den Krieg einfach vergessen. Wir hatten Besseres zu tun. Denn auch wenn es nicht danach aussah, waren wir schwer beschäftigt.
    Wir lagen auf der Lauer. Bakewell hatte einen Plan, wie es mit uns weitergehen könnte. Auf ihrem Weg von London nach Buenos Aires hatte das Antarktis-Expeditionsschiff von Sir Ernest Shackleton in Montevideo einen Zwischenstopp eingelegt, angeblich um Brennmaterial zu bunkern. Im Hafen ging das Gerücht um, der wahre Grund für den Halt sei, dass ohne den Sir, der erst in Argentinien zur Crew stoßen würde, die Borddisziplin stark gelitten habe. Wie schnell das geht und dass dazu schon wenige Mann ausreichen, wusste ich aus eigener Erfahrung, und tatsächlich erfuhr Bakewell von zwei Matrosen der ENDURANCE , nämlich Hownow und Stornoway, dass es vor Madeira zu einer Schlägerei an Bord gekommen war, die für die Beteiligten nicht ohne Folgen bleiben konnte. Ein paar Tage lang sah es so aus, als müssten die vier Verantwortlichen für die Keilerei in Montevideo abheuern. Wir beschlossen, die Antarktiker nicht mehr aus den Augen zu lassen.
    Dementsprechend groß war unsere Enttäuschung, als wir am Morgen der Verabschiedung durch Käpt’n Coon zur Pier kamen und sahen, dass Shackletons Schiff ausgelaufen war, ohne dass uns McLeod und How Bescheid gegeben hatten. Die INVINCIBLE und die INFLEXIBLE waren über Nacht den Plata heraufgekommen und lagen in der Flussmitte auf Reede; immer neue Boote wurden weggefiert und pullten vollbesetzt herüber, so dass in den Gassen bald ein Gewimmel aus Geschützrohrmatrosen und Seemannsgrabanwärtern herrschte. Wir nahmen die nächste Fähre nach Buenos Aires. Zwei Tage später stolperten wir in einer Spelunke mit Namen »Grüner Affe« wie zufällig über einen Pulk aus Männern von der ENDURANCE . How und McLeod freuten sich so, uns wiederzusehen, dass sie keine Hemmungen hatten, den Bos’n an unseren Tisch zu holen.
    Diesem John Vincent eilt der Ruf voraus, alles andere als eine Stimmungskanone zu sein. Mit bösem Funkeln in den Augen ließ er durchblicken, dass Shackletons Stellvertreter Frank Wild zwar die vier Krawallmacher von der Heuerliste gestrichen hatte, dass über deren Ersatz aber allein der Sir bestimmen würde. Dann verstummte er und begann, die Tischplatte zu hypnotisieren.
    Wann Shackleton denn komme, wollte Bakewell wissen.
    Vincent sah ihn nicht einmal an, sondern sagte stattdessen zu McLeod: »Der Chef ist da, wenn er da ist. Stimmt’s?«
    McLeod nickte. »Klar. Aber die beiden sind gute Jungs. Waren auf einem Seelenverkäufer und haben sich vorbildlich verhalten, als er sich verabschiedet hat. Du könntest ein gutes Wort für sie einlegen.«
    Vincent sah mich an, und zum ersten Mal war sein breites, ganz unheimlich glattes Gesicht dicht vor mir.
    Â»Der hier ist viel zu jung, damit fängt es schon an.« Er stand auf. »Ihr beide seid vorbildliche Seeleute, also verhaltet euch vorbildlich, bis der Chef da ist und euch anheuert oder nicht.«
    Bakewell konnte sich einerseits ausrechnen, dass er einen Posten auf der ENDURANCE so gut wie in der Tasche hatte, andererseits stand zu befürchten, dass er mich würde zurücklassen müssen. Kurz nach dieser ersten Unterredung mit Vincent sagte er mir offen, dass er sich in den Gedanken verliebt hatte, in die Antarktis zu fahren, und er verschwieg mir nicht seine Absicht, auch ohne mich zu gehen.
    Inzwischen wurde letzte Hand an das Schiff gelegt. Die ENDURANCE erhielt einen schwarzen Anstrich und wurde neu verproviantiert. Dann ging der Lärm los. Die Schlittenhunde kamen. Ein kanadischer Frachter, so verdreckt, dass man sich fragen musste, ob er durch ein Meer aus Schlamm gesegelt war, machte längsseits fest und fuhr die Krane aus. Je ein Paar in einem Käfig, schwebten die Tiere an Bord und wurden in die Zwinger gesperrt, 69 Mischlinge

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