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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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was es war.«
    Für mich sind das Weddellmeer, das Packeis und die Seeleoparden so weit weg wie Wales. Eine Krabbenfresserrobbe erscheint mir so wirklich wie König Artus oder Flieger-Ass William Bishop. Insofern hat Stevenson Recht, mich so zu behandeln, als würde ich nicht zu ihnen passen und deshalb auch nicht zu ihnen gehören. Die Antarktis bedeutet mir nichts im Vergleich zu dem, was mir Ennid Muldoon bedeutet. Ich wäre sofort damit einverstanden, die Antarktis in Ennid-Muldoon-Land umzutaufen. Aber ich beginne zu ahnen, dass sich das ändert, sobald ich vor Shackleton stehe.
    Ob er schon einmal einen Eisberg gesehen hat, frage ich Holness.
    Â»Komm, wir gehen ein paar Schritte«, sagt er, und ich stehe auf. Klar, er habe Eisberge gesehen, allerdings im Nordmeer, und da seien sie anders, kleiner, von anderer Farbe.
    Während meiner ersten Schritte nach zwei Tagen des Kauerns und Hockens verstärkt das beständige leichte Backbordrollen der ENDURANCE mein Gefühl, ich würde auf Bälle treten und hätte statt Kniegelenken in der Beinmitte Scharniere. Dass viele Eisberge nicht weiß sind, sondern blau, blau wie der Sommerhimmel, oder grün, grün wie Flaschenglas, und auch rot, so rot wie ein Sonnenbrand, hat mir eines Abends im Ritz Tom Crean erzählt. Holness lässt mich wieder Platz nehmen. Ich mache »Uff!«, und er lacht.
    Â»Das wird schon. In ein paar Stunden krabbelst du die Wanten rauf. Und deinen ersten Eisberg siehst du noch früh genug. Ich wünsche es dir jedenfalls. Ich fänd’s schön, wenn du an Bord bliebest.«
    Â»Das hängt leider nicht von mir ab. Dank dir trotzdem, Holness.«
    Weil er nichts mehr zu tun hat, knetet er inzwischen seine eigenen Hände.
    Â»Es gibt nämlich nicht nur im Wasser jede Menge Eisberge«, sagt er. »Das Schiff ist voll davon. Wenn du verstehst, was ich meine.«

8
»Wie geht es Ihnen, Mister Blackboro?«
    I ch verstehe, was der zarte Heizer Holie meint. So wenig ich darüber wusste, was für die verschiedenen Färbungen des Eises verantwortlich ist – (bis mir Tom Crean erklärte, dass es im Fall des grünen und des roten Eises zwei Arten von winzig kleinen Algen sind, wohingegen blaues Eis reines Gletschereis ist, also fast ganz aus Wasser besteht, und gewöhnliches Eis deshalb weiß ist, weil es jede Menge Luft beinhaltet) –, so genau weiß ich auch, ohne dass ein Eisriese wie Tom Crean es mir erklären muss, welche drei Arten von Eisberg ich vor mir habe, wenn Stevenson, Vincent und Käpt’n Worsley in der Tür stehen.
    Der Heizer ist grün vom giftigen Kohlestaub, der Bos’n rot von zu hohem Blutdruck, und so blau wie seine Jacke ist die ganze Art von Käpt’n Worsley: Er ist ein kühler Mann. Seine Freundlichkeit ist so kühl wie seine Bestimmtheit. Während der wenigen Male, die ich Gelegenheit gehabt habe, den Skipper der ENDURANCE zu beobachten, hatte ich immer das Bedürfnis, ihn einmal darauf anzusprechen. Wie gerne hätte ich ihn ermuntert, mich doch einmal wahrzunehmen, statt nur im Vorbeigehen zu mustern. Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, aber sonderlich froh bin ich nicht, dass Worsleys Augen allein auf mir ruhen.
    Â»Danke, Holness«, sagt er, ohne den Blick von mir abzuwenden, und tritt näher. Holness gibt mir einen Klaps auf den Rücken, bevor er sich zwischen Stevenson und Vincent hindurchzwängt und macht, dass er Land gewinnt.
    Â»Wie geht es Ihnen, Mister Blackboro?«
    Â»Danke, Sir, es geht.«
    Â»Sie müssen halb verhungert sein. Und ziemlich kalt ist es hier unten.« Er geht zum Spind. »Hier waren Sie drin.«
    Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Er beugt sich in den Schrank und sieht sich darin um. »Gut. Jetzt sind Sie also hier.«
    Mir fällt nichts anderes ein. Ich sage: »Ja, Sir.«
    Vincent, der mich keines Blickes würdigt, sieht sich genötigt, dem Skipper auf die Sprünge zu helfen: »Wer soll die Schweinerei im Spind beseitigen?«
    Worsley zieht den Kopf aus dem Schrank und sagt: »Stevenson –«, so dass der ihn missversteht und auf der Stelle protestiert: Er habe mich doch nur entdeckt. Wer mich an Bord geschmuggelt habe, wisse er nicht. Weshalb denn er für meinen Mist verantwortlich sei?
    Â»Stevenson«, beginnt Worsley ruhig von vorn, »Sie sind Freiwache. Nutzen Sie die Zeit und schlafen Sie. Ich habe

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