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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Mittlerweile reden alle offen von Frauen, Mädchen, davon, was sie tun werden oder tun würden. Er nicht. Hinter der vorgehaltenen Hand heißt es, unser Bootsmann sei andersherum. Unwahrscheinlich. Die ihn als Schwulen abstempeln, machen es sich zu leicht. Es sind dieselben, die meinen, in Wahrheit sei Holie ein Mädchen, zumindest fühle es sich so an. Dieselben, die eine Nacht im Hunglu empfehlen oder dem, der auf Hündin nicht kann, er möge sich Chippys kleine Schiffstigerin in die Koje mitnehmen. Oder ein zurechtgeschnippeltes Stück Robbenfleisch: »Ist warm, weich und heult nicht.« Vincent weiß davon, aber er lästert nicht mit, er schweigt. Wer ein echter Bos’n ist, der duldet kein Geschwätz vorm Mast, doch haben sie Freiwache, lässt er seine Matrosen gewähren. Vincent polkt sich an der Nase, und hinter seiner glatten Stirne scheint er zu denken: Solange die Saubande ihren Job macht, soll’s mir egal sein.
    Â»Hauptsache lesen«, sagt er und unterbricht damit meine Gedanken. »Bücher lesen und sich damit wichtig machen.«
    Genau, das ist der Punkt. Die Arbeit. Der Angelpunkt, um den sich für ihn alles dreht. Arbeit verrichten, Soll erfüllen. Soll erfüllt, neue Arbeit, hopphopp. Deshalb mag er mich nicht. Oder vielleicht mag er mich ja insgeheim sogar – wer kann das bei ihm sagen? Und trotzdem verachtet er mich dafür, dass er mich nicht in den Fockmast hinaufjagen kann, dorthin, wo alle Träumerei ein Ende hat, weil da entweder jeder Handgriff sitzt oder der letzte ist.
    Â»Meine Arbeit ist, euch das Essen zu bringen.«
    Das ist ihm keinen Kommentar wert. Auch Vincent ist müde. Einen Seitenblick hat er dafür übrig, ein Lippenzucken, bevor die Zunge das nächste Blättchen beleckt. Ich muss es hinnehmen, wie es ist: Sich mit ihm zu streiten führt zu nichts, und mit Freundlichkeit komme jedenfalls ich bei John Vincent genauso wenig weiter.
    Soll ihn der Teufel holen. Ich mag es einfach nicht, wie er seine Beleidigungen vorbringt, so nämlich, als gehörten sie zum Gespräch. Anfangs scheint er sich nur unpersönlich zu äußern und baut bloß hier und da einen tückischen Witz ein. Aber auf einmal kommen in vollem Ernst die Gemeinheiten. Er glaubt, mir etwas verraten zu müssen. In Grytviken hätten ein paar von seinen Leuten vorgehabt, mir eine Lektion zu erteilen. Hätten den Plan damals leider fallen lassen, und zwar, weil er Wind davon bekommen habe.
    Â»Pech, Jungchen.«
    Er bedauert, dass sie mich nicht drangekriegt haben, und ich, ich muss ihm noch dankbar dafür sein.
    Er ist fertig mit seinen Zigaretten und legt sie behutsam in eine kleine Büchse, wo sie genau hineinpassen.
    Â»War mir ziemlich schnuppe, ob sie dich in einen Sack stecken und ein paarmal den Grund der Bucht angucken lassen«, sagt er. »Nö, ehrlich, mit blinden Passagieren, die sich einschleimen und anbiedern und die sich außerhalb der Rangfolge stellen, mit denen verfährt nun mal die schuftige Teersau nicht anders, das weiß auch einer wie du, nehme ich mit meinem Spatzenhirn an.«
    Häme hin, Häme her, was will er wissen? Ob ich eine Ahnung davon hatte? Sage ich ihm, dass Bakewell es mir gesteckt hat, fällt es auf Bakewell zurück, der gleichfalls zu Vincents Leuten gehört. Und tue ich so, als wüsste ich von nichts, bin ich wieder nur das Träumerle, das von nichts, was wirklich zählt, den blassesten Schimmer hat.
    Am cleversten wäre, zu sagen: »Wieso den Plan fallen lassen? Im Sack über Bord geworfen und dreimal runter auf Grund tauchen lassen, genau das haben sie ja mit mir gemacht!« Und dann mal schauen, wer morgen wegen Insubordination Dresche vom Bos’n bezieht.
    Â»Ich hab mir so was schon gedacht«, sage ich stattdessen. Und um erst mal Luft zwischen uns zu bringen, stehe ich auf, gehe zum Tisch und nehme das Buch.
    Â»Danke aber für deine Offenheit, Vincent. Und für den Tee.«
    Â»Offenheit. Na, klar! Bitte, bitte. Mann, du bist doch nicht ganz bei Trost! Nimm deine Kerze mit. Aber die bleibt aus, verstanden?«
    Â»Bleibt aus, versprochen. Gute Nacht.«
    Â»Versprochen. Gute Nacht«, äfft er mich nach. »Diese Tour zieht bei mir nicht. Und damit du’s weißt: Keinen interessiert, was du in diesen Büchern liest. Ist allen schnurzegal, geht das rein bei dir?«
    Â»Ist klar.«
    Â»Jungchen, ich sage dir, das,

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