Der Eisplanet
flüssigem Helium.«
»Warum, wenn es nie gelebt hat?«
»Aus mehreren Gründen, Kapitän Hamilton. Das Hirn besitzt unermeßlichen historischen, wissenschaftlichen und sozialen Wert. Das Projekt bedeutet einen Wendepunkt in unserer Geschichte und unserer Sozialstruktur.« Er lächelte. »Wahrscheinlich sind Sie zur Zeit die wichtigste Person auf dem Planeten.«
»Ich freue mich für meinen Bruder, daß Sie seinen Rest konserviert haben«, sagte Idris und meinte es ehrlich. Plötzlich fühlte er sich ziemlich lebendig. Er schwang sich aus der Koje. »Nun werde ich anfangen, mir Ihre Welt anzuschauen.«
»Das halte ich für unvernünftig überhastet«, sagte Dr. de Skun. »Haben Sie Geduld. Sie haben sich gerade erst vom Transfer erholt.«
»Dr. de Skun, ich habe lange warten müssen. Meine Geduld ist zu Ende. Ich bin nicht mehr von Ihnen abhängig. Jetzt treffe ich eigene Entscheidungen.«
»Vorerst verbiete ich Ihnen«, sagte Manfrius de Skun, »diesen Raum zu verlassen. Bevor Sie in die nächste Phase eintreten, müssen Sie von der Transplantation vollständig genesen sein.«
Idris lachte. »Sie können mir nichts befehlen, Dr. de Skun. Verfügen Sie über eine Armee? Über Männer, die zum Töten ausgebildet sind?«
Manfrius de Skun hob entsetzt die Hände. »Kapitän Hamilton, seit Jahrtausenden leben wir in Frieden. Wir verabscheuen Gewalt.«
»Demnach bin ich im Vorteil. Ich bin nicht allein zum Raumfahrer ausgebildet worden, sondern man hat mich auch gelehrt, mit den bloßen Händen zu töten. Und ich verabscheue Gewalt nicht immer und überall. Ich werde diesen Raum verlassen.«
»Bitte machen Sie keinen Unsinn, Idris«, sagte Zylonia.
Er ignorierte sie. Plötzlich sprang er vor, zur Tür. Sie ließ sich mit Leichtigkeit öffnen, und er trat hinaus.
Er stand in einem großen, hellen Raum, der entfernt dem Kontrollzentrum eines Raumhafens ähnelte. Der Kapitän sah Reihen von Monitorschirmen, Komputerkontrollen und zahlreiche junge Frauen und Männer. Von hier aus hatte man also seine Reaktionen während seines Daseins im Tank registriert, alle Vorgänge in der Kabine beobachtet. Also wußten sie auch um die soeben stattgefundene Auseinandersetzung.
Fünf ziemlich kräftig wirkende, junge Männer bildeten einen Halbkreis. »Kapitän Hamilton«, sagte einer von ihnen, »Dr. de Skun weiß am besten, was gut für Sie ist. Bitte gehen Sie zurück in Ihre Kabine.«
Idris steckte die Finger beider Hände und nahm eine leicht geduckte Haltung ein. »Ich hege die Absicht, Sie zu verlassen«, erklärte er ruhig.
Zwei der jungen Männer traten vor, um ihn zurück durch die Tür zu drängen. Idris versetzte dem ersten einen Hieb gegen die Kehle und trat den zweiten Mann fast gleichzeitig in die Magengrube. Ächzend stürzten die beiden zu Boden. Die anderen wichen erschrocken zurück. Eine Technikerin schrie auf.
Zylonia kam aus der Kabine geeilt. »Idris, was haben Sie getan?«
»In einer Minute stehen Sie wieder auf den Beinen.« Er lächelte matt. »Ich habe nicht hart zugeschlagen.« Sein Blick wanderte durch den Raum. Es waren ungefähr fünfzehn Techniker anwesend, Männer und Frauen. Er konnte sie sich unmöglich alle vom Leibe halten, zumal sie ihn gewiß von mehreren Seiten packen würden.
»Diese Menschen haben sehr viel Zeit und Arbeit aufgewendet, um Ihnen zu helfen«, sagte Zylonia verärgert. »Ist das Ihr Dank an sie?«
»Ich bin für die Hilfe dankbar«, antwortete Idris. »Doch nun führe ich wieder ein richtiges Leben, und meine Freiheit ist kostbar, sogar sehr kostbar. Ich möchte die Welt kennenlernen, in die ich wieder hineingeboren wurde. Wenn mich niemand daran zu hindern versucht, wird niemand mit mir Schwierigkeiten bekommen.«
Manfrius de Skun erschien. »Kapitän Hamilton, bitte überlegen Sie Ihren Entschluß gut. Sie haben soeben demonstriert, daß Sie Ihren neuen Körper ausgezeichnet beherrschen. Geben Sie uns noch ein wenig mehr Zeit, damit wir uns davon überzeugen können, daß nicht mit einem Rückfall zu rechnen ist.«
»Dr. de Skun, bitte versuchen Sie, mich zu begreifen. Sehr lange war ich auf Informationen von Ihnen und Zylonia angewiesen. Jetzt möchte ich mich persönlich umschauen. Ich möchte mit Ihrer Welt vertraut werden und mich um das Schicksal der Kinder von der Dag Hammarskjöld kümmern. Es liegt im Interesse meines Seelenfriedens, daß keine weitere Verzögerung eintritt.«
Manfrius de Skun stieß einen tiefen Seufzer aus und zuckte die Schultern.
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