Der Eisplanet
geträumt, er entsann sich. Und was für Träume! Sorgenvoll betastete er seinen Kopf. Keine Narben, keine Wunden, kein Verband. Ein normaler Kopf. In seinen Träumen dagegen ...
Etwas war nicht in Ordnung. Er wollte nicht darüber nachdenken. Aber er mußte es.
Er hätte sich in einem Feld von Nullschwerkraft befinden müssen. Das war nicht so.
Vorsichtig bewegte er sich. Seine Gliedmaßen schmerzten, wirkten ungewöhnlich schwer, schwerer als sie auf Mars oder Erde sein durften. Vielleicht war er krank gewesen.
Das mußte es sein. Ihm fiel ein, daß er kurz vor dem Start von der Erde einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen war. Er entsann sich der Unterhaltung mit Orlando, des Befehls, den er ihm erteilt hatte.
Umständlich erhob er sich aus der Koje. Die Kabine wirkte seltsam. Mit unerträglich schmerzenden Gliedern ging er zur Tür. Sie war verriegelt.
Alles schien klar. Er hatte durchgedreht, Orlando hatte ihn eingesperrt und das Kommando übernommen, wie er es ihm vorsorglich befohlen hatte ...
Idris Hamilton setzte sich in einen der Sessel neben dem Tisch. Er bebte und schwitzte. Er entschied, daß er sich über Interkom an jemand wenden mußte, an Orlando, Leo oder Suzy.
»Aber sie sind doch tot«, sagte er laut in sachlichem Tonfall. Er hatte eine plötzliche Vision von Orlando, der keuchte, der über das Navigationsdeck hinaus in ein Meer von Sternen schoß. »Ich bin auch tot.«
Nun wußte er, daß er lebte und verrückt war. Er mußte seine Form des Wahnsinns analysieren.
»Die Dag Hammarskjöld wurde durch Sabotage zerstört, und ich bin tot. Gleichzeitig lebe ich und bin in der Kapitänskabine eingesperrt.«
Verdrängtes brach durch. Zylonia, Manfrius de Skun, der Planet Minerva, ein Gehirn in einem Tank. Keine Realitäten. Wahnvorstellungen eines Kranken. Er biß auf einen Finger, spürte den Schmerz, sah Blut.
Es gab kein Gehirn in einem Tank.
In diesem Augenblick hörte er die Kuckucksuhr. Seit seinem Erwachen hatte er sich bemüht, sie zu ignorieren. Mit Erfolg. Er hatte, da selbst der Wahnsinn Grenzen besaß, nie damit gerechnet, daß sie schlagen könne.
Aber der Kuckuck sprang zwölfmal aus dem Gehäuse, rief Kuckuck dabei.
Idris entsann sich, erinnerte sich an alles. Und schrie.
Die Kabinentür wurde geöffnet. Zylonia kam herein.
Idris Hamilton stürzte aus dem Sessel, prallte auf den Teppichboden, krümmte sich zur Embryonalposition zusammen und begann am Daumen zu nuckeln.
»Katatonischer Schock«, konstatierte Manfrius de Skun. »Es war gänzlich unser Fehler. Ich muß mich entschuldigen. Ich hoffe, Sie verzeihen mir. Wir haben Ihnen ein Sedativ injiziert. Sie werden so etwas nicht länger benötigen. Sie verfügen über eine sehr widerstandsfähige Persönlichkeit, Kapitän Hamilton. Oder, um es weniger klinisch zu formulieren, Sie sind ein tapferer Mann.«
Idris lag in seiner Koje. Er sah Dr. de Skun nicht an, sondern starrte zur Decke empor. »Ich habe geschrien wie ein Säugling.« Er lachte matt. »Ist das ein Zeichen von Tapferkeit?«
»Kapitän Hamilton, Tapferkeit manifestiert sich auf vielfältige und bisweilen sonderbare Weise. Sie haben das Trauma des Todes besiegt. Ihre Tapferkeit ist bewiesen.«
Für eine Weile sagte Idris nichts. »Es war die Uhr«, meinte er dann. »Die verfluchte Kuckucksuhr ... Sie hat mich endgültig in die Realität gedrängt, die mir mißfiel. Es kam furchtbar plötzlich.«
»Es tut mir leid, Idris«, sagte Zylonia. »Ich ließ die Uhr in der Kabine, weil ich dachte ...«
»... weil Sie dachten, sie würde mich an ein Mädchen erinnern, das sich einem Gehirn in einem Tank zuliebe auszog. Das hat sie getan.« Er starrte noch immer die Decke an. »Dr. de Skun, was ist mit dem Vorbesitzer?«
»Wovon reden Sie, Kapitän?«
Idris berührte seinen Kopf. »Von dem Mann, der vorher zwischen diesen Ohren gelebt hat. Steckt nun er im Behälter? Oder haben Sie sein Hirn bloß entfernt und in den Mülleimer geworfen?« Er lachte.
Manfrius de Skun seufzte. »Keines davon. Wir sind keine Mörder. Wie ich Ihnen bereits mitteilte, wurde das Hirn an einer Bewußtseinsentwicklung gehindert.«
»Also ist der arme Kerl noch ungeboren. Doch immerhin ist er mein Bruder. Sie verstehen, daß ich mich für seinen Verbleib interessiere.«
Dr. de Skun seufzte nochmals. »Sie sollten jenes Hirn nicht vermenschlichen. Es war niemals mehr als ein Stimulator motorischer Aktivitäten. Jedenfalls wurde es konserviert.«
»In flüssigem Helium?«
»Ja, in
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