Der Eisplanet
neuen Idris Hamilton. Das Organ der Identität ist das Hirn. Sie sind Idris Hamilton. Nur Sie. Niemand anderes kann es sein.«
»Ja, das Hirn. Das arme Ding. Aber meines ... Jedenfalls denke ich, daß dieser Zombie, den man gegenwärtig züchtet, einige Probleme aufwirft. Er hat auch ein Gehirn, eine Identität.«
»Darf ich jetzt meine Kleider anziehen?« fragte sie.
»Nein, verdammt noch mal! Dieser Idris Hamilton Nummer zwo ... Was ist mit seinem Hirn? Wollen Sie mir seinen Körper zuteilen und sein Hirn in diesen Tank stecken? Ihm dürfte das keineswegs gefallen.«
»Glücklicherweise sind wir solcher ethischer Probleme enthoben. Ihr Duplikat wird niemals Bewußtsein entwickeln. Während der Körper ausreift, wird der Prozeß der Individualisierung zerebralchirurgisch verhindert. Eine großartige Errungenschaft.«
»Eine großartige Errungenschaft? Ein Mann, der tot war, bekommt einen Abklatsch von Leben, und ein lebender Mann wird einem Scheintod ausgeliefert. Wissenschaftlicher Fortschritt, vermute ich. Wenn ich einen Mund hätte, ich würde kotzen.«
Die Tür öffnete sich, und Manfrius de Skun trat ein. »Kleiden Sie sich an, Zylonia«, sagte er entschieden. »Die Monitoren registrieren unverantwortbare neurophysiologische Turbulenzen. Sie waren nicht befugt, Idris Hamilton über die Zuchtkörperherstellung zu informieren.«
Idris näherte seine Kamera Manfrius de Skun. »Sie habe ich erwartet. Sie ängstigen sich um Ihr Meerschweinchen, nicht wahr? Ich habe über eine interessante Frage nachgedacht. Wie Sie wissen, habe ich viel Zeit. Ich fragte mich, warum eine Gemeinschaft von nur zehntausend Menschen sich einen so riesigen Aufwand erlaubt, um einen toten Raumfahrer zu restaurieren. Ich glaube, ich habe die Antwort.«
Manfrius de Skun lächelte. »Kapitän Hamilton, uns war klar, daß wir in Ihnen einen Mann mit großem Mut und beachtlicher Intelligenz finden würden. Wer ein Raumschiff kommandiert, muß diese Qualitäten besitzen. Sie boten sich als brauchbar an, um ...«
»... um idealer Kandidat für Ihr Unsterblichkeitsprojekt zu werden«, ergänzte Idris Hamilton. »Nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Richtig?«
»Richtig.«
»Man hat Ihnen die Verwendung eines minervischen Hirns nicht erlaubt?«
Manfrius de Skun zuckte die Achseln. »Damals – vor vielen Jahren – gab es politische und philosophische Bedenken. Selbstverständlich auch ethische Vorbehalte. Der experimentelle Gebrauch eines minervischen Gehirns hätte zu viele Komplikationen verursacht. Aber nun, aufgrund der positiven Entwicklung, die Sie genommen haben, befindet sich die Unsterblichkeit in unserer Reichweite.«
»Sie wissen also nun, daß ein Gehirn die Schrecken der Isolation überstehen kann, ohne daß das Individuum geistigen Schaden erleidet. Schön für Sie. Alle Bewohner von Minerva besitzen nun Aussicht auf Unsterblichkeit. Schön für sie. Ich dagegen fühle mich im gegenwärtigen Zustand nicht besonders wohl ... Außerdem möchte ich meine Kinder und ihre Lehrerin sehen.«
Manfrius de Skun hob die Brauen. » Ihre Kinder, Kapitän Hamilton?«
»Ja, meine Kinder. Ich komme von der Erde, sie kommen von der Erde. Sie waren meine Fracht. Sie sind meine Kinder. Wohl haben Sie ihnen das Leben zurückgegeben, aber das berechtigt Sie nicht, ihre Zukunft zu bestimmen.«
»Und Sie glauben einen gültigeren Anspruch zu besitzen?«
»Ich glaube, da ich auf dem Planeten geboren wurde, auf dem sie zur Welt kamen, habe ich nicht bloß einen Anspruch, sondern eine Verpflichtung. Ich will sie sehen. Vermeinen Sie nicht, weil ich nur ein Hirn in einem Tank bin, befände ich mich in einer Lage, worin ich keinen Druck ausüben kann. Ich vermag Ihr Unsterblichkeitsprojekt jederzeit zu verderben.«
»Auf welche Weise?«
»Sehr einfach.« Idris lachte. »Indem ich mich verrückt stelle.«
Manfrius de Skun seufzte. »Sie sind sogar intelligenter als wir erwarteten, Kapitän Hamilton. Ich bin zufrieden und bestürzt zugleich. Auf jeden Fall, wie die Monitoren anzeigen, ist Ihr Streß-Faktor außergewöhnlich hoch. Deshalb werden Sie sich ein weiteres Mal ausruhen. Inzwischen wollen wir den gegenwärtigen Zustand diskutieren.«
»Es geht mir gut, Dr. de Skun. Ich benötige keine Pause. Ich brauche ...«
Urplötzlich verschwanden Ton und Blickfeld, und Idris war wieder allein.
5.
Er erwachte in seiner Koje. Die Kabinenbeleuchtung brannte. Er betrachtete seine Hände. Sie waren feucht und zitterten.
Er hatte
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