Der Eisplanet
schwieg für eine Weile. »Ich habe die Wahl, Ihnen zu glauben oder nicht«, sagte er dann verbittert. »Ich bemühe mich, Ihnen Glauben zu schenken, weil es mich weniger quält ... Aber kümmern Sie sich um die Kinder – falls sie existieren, falls es die Kinder gibt. Ich möchte nicht, daß alles vergeblich war.«
»Sie befinden sich in guter Obhut«, sagte sie sanft. »Ich kann es beschwören.«
»Nun gut. Und jetzt, Miß Zylonia de Herrens, ziehen Sie Ihre Kleidung aus.«
»Ausziehen?« Sie war erstaunt.
Er genoß ihre Verblüffung. Er empfand Genuß. Die Empfindung tat gut.
»Ich möchte erfahren, was der Anblick einer nackten Frau in mir auslöst.« Er lachte. »Als Wissenschaftler sollten Sie an den Reaktionen eines in Nährflüssigkeit schwimmenden Hirns, das sexuell stimuliert wird, sehr interessiert sein. Oder sind Sie zu schüchtern? Hat die minervische Gesellschaft eine strengere Sexualnorm als ich annehme?«
»Ich bin keineswegs zu schüchtern«, sagte sie schroff, »und unsere Gesellschaft plagt sich nicht mit primitiven sexuellen Tabus. Ich erwäge lediglich, ob der Grad der Frustration Ihnen schaden kann.«
Der Einwand erheiterte ihn ein wenig. »Eine originelle Ausrede. Ich schließe aus Ihrem Zögern, daß man uns abhört und beobachtet. Ich dachte es mir. Aber das spielt keine Rolle.«
»Ich ... ich ...« Sie war verwirrt, und er genoß ihre Verwirrung. »Nein, Idris. Ich halte den Versuch für nicht ratsam.«
»Gönnen Sie den Jungs an den Monitoren ein bißchen Vergnügen. Ziehen Sie sich aus, Zylonia! Zweifellos wird Manfrius de Skun an den Schwankungen meiner Hirnwellen viel Gefallen finden. Ausziehen!«
Er rechnete damit, daß sie sich noch länger sträuben würde, doch er irrte sich. Zylonia streifte ihre Tunika ab, zog das Unterhemd, den Büstenhalter und ihr Höschen aus. Die Entdeckung, daß solche Kleidungsstücke sich in fünftausend Jahren kaum verändert hatten, wirkte erleichternd. Es war eine große Beruhigung. Zylonia stemmte die Arme in die Hüften und blickte ohne Scham in das elektronische Auge. »Nun, Idris? Sind Sie zufrieden?«
Er antwortete nicht sofort. »Mir gefällt, was ich sehe«, sagte er schließlich. »Es muntert mich regelrecht auf. Es nimmt mir ein wenig von der Einsamkeit.«
»Kann ich mich wieder ankleiden?« fragte Zylonia. »Sicherlich haben Sie nun genug gesehen?«
»Weder das eine noch das andere«, erklärte er nachdrücklich. »Gewiß wird es Dr. de Skun sehr freuen, zu erfahren, daß ein Gehirn in einem Tank imstande ist, sexuelle Erregung zu empfinden.« Er lachte. »Man muß ihn beglückwünschen. Er hat den begierigsten Voyeur des Sonnensystems geschaffen ... Noch etwas. Ich will, daß hier eine Toilette installiert wird. Ich sehe Sie essen, arbeiten und schlafen. Ich will alles sehen ... Verstanden? Sie sind meine Stellvertretung. Nur durch Sie erhalte ich die Illusion, daß ich lebe.«
Unvermittelt begann sie zu weinen. »Sie leben. Idris, es wird nicht mehr lange dauern, bis Sie wieder vollends am Leben teilnehmen können. Man bereitet einen neuen Körper für Sie vor.«
»Was haben Sie gesagt?«
»Man bereitet einen neuen Körper für Sie vor ... Sie sollten es noch nicht so früh erfahren. Aber es ist wahr.«
Seine Willenskraft jagte das mobile Auge ruckartig vorwärts, und einen Moment lang schien es, als werde er die Kamera in ihr Gesicht schmettern. Aus unmittelbarer Nähe forschte er in ihrer Miene. »Erklären Sie mir das langsam und deutlich, Zylonia. Wie ist das möglich?«
»Verstehen Sie etwas von Genetik?«
»Nein. Aber ich bin bereit, mir etwas anzueignen.«
»Haben Sie schon einmal von Zellkernsteuerung gehört?«
»Wenn ich mich richtig entsinne, ist das eine Duplikationstechnik, die man auf Erde und Mars zu Viehzuchtzwecken entwickelt hatte. Mehr weiß ich nicht.«
»Das Prinzip ist einfach«, erläuterte Zylonia, »aber mit der Durchführung sind außerordentlich komplizierte Techniken verbunden. Jede Körperzelle enthält bekanntlich den genetischen Kode, den Entwurf für den gesamten Körper. Unter den richtigen Bedingungen – innerhalb eines synthetischen Uterus – ist es möglich, den Reproduktionskode elektronisch auszulösen und die Reproduktion des Gesamtkörpers in Gang zu setzen. Als Resultat entsteht eine physische Kopie der Person, der das genetische Material entnommen wurde.«
»So. Man züchtete einen neuen Idris Hamilton heran.« Seine Stimme klang unüberhörbar sarkastisch.
»Keinen
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