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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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befahl Mauritz, und jeder rannte zu einer Mühle. Ich zögerte davor, mußte mich erst dem Rhythmus anpassen, hatte Angst vor den beiden Propellern, die mit einem wetzenden Geräusch kreisten. Frenss stand an den Reglern und bellte kurze Kommandos, beschleunigte den Rhythmus, verlangsamte, ich war schon nach zwei, drei Minuten Auf und Nieder auf dem Sandboden erschöpft und taumelte aus der Mühle, knapp verfehlt nur vom oberen Propeller. Ich bin noch nie eine Sportskanone gewesen und schämte mich vor den anderen, deren durchtrainierte Körper bald von Schweiß glänzten, während rauh und rhythmisch zum Hase-Hüpf-Spiel das Hej, Ho!, Hej, Ho! aus den Kehlen drang, ich schämte mich vor Manuela, die neben Frenss aufgetaucht war und mich mit einem eher mitleidigen als spöttischen Blick bedachte, und wenn schon der Spott einer Frau, die man liebt, schwer zu ertragen ist, Herr Verteidiger, so ist es ihr Mitleid um so schwerer. Ich keuchte und wollte dennoch zurück in die Mühle und Manuela beweisen, daß ich kein Schlappschwanz war. Nicht einmal eine richtige Halse kriegst du zustande, mein Sohn, aber Frenss pfiff mich mit seiner Trillerpfeife zurück. Die Mühlen stoppten. Mauritz hatte das Oberteil seiner schwarzen Uniform ausgezogen, ließ dieVerschalungen der Propeller abziehen und nickte Frenss zu, die blanken Schneidblätter setzten sich langsam in Bewegung, alles starrte zu Mauritz, der mit stoischem Gleichmut, präzise und anscheinend ermüdungslos wie eine Maschine, den zwei rotierenden Klingen auswich. Frenss erhöhte die Drehzahl. Es schien mir Wahnsinn, was Mauritz da riskierte, und mir grauste vor dem Gedanken, daß er das auch von mir verlangen könnte. Er keuchte nicht wie wir anderen, die wir ausgepumpt im Schatten der Tribüne hockten und zusahen, wie er mit der Leichtigkeit und Eleganz eines asiatischen Kung-Fu-Kämpfers den sensenhaft mähenden Klingen auswich, jeden Rhythmuswechsel beherrschend, zehn Minuten, eine Viertelstunde, zwanzig Minuten, sein Oberkörper mit den wie Flechtstahl feinen Muskeln glänzte kaum, als er aus der Maschine sprang und Frenss zunickte
    – die Ratte hing mit dem Kopf nach unten, ich sah die Pfoten verzweifelt in der Luft nach Halt greifen, die beiden mittleren Krallen waren länger als die äußeren. Die bloßen gelben Nagezähne zu sehen, die Mauritz’ Arm zu erreichen versuchten, um ihn zu beißen, erfüllte mich mit Widerwillen. Mauritz lächelte. Man hörte keinen Laut außer dem Fiepen des Tiers. Es mochte spüren, daß es in tödlicher Gefahr war, die Pechaugen flackerten, die Lider schienen von Rasierklingenschnitten zu klaffen. Mauritz’ Züge verhärteten sich. Nicht, laß sie doch laufen, Mauritz, stöhnte Manuela. – Nein, und ihr werdet mir zusehen, wie ich sie töte, sagte Mauritz mit kalter Stimme. Er nickte Frenss zu, der den Azetylenbrenner anzündete. Am Rändelring stellte Mauritz die Flamme zu einer blauen Lanze scharf. Die Ratte schrie, wie ich noch nie ein Lebewesen hatte schreien hören. Mauritz ließ die Flamme langsam näherkommen. Die Ratte strampelte und zuckte aus Leibeskräften, doch er hielt sie mit eisernem Griff fest. Manuela schlug dieHände vor die Augen und wollte hinausgehen, aber Frenss versperrte ihr den Weg. Ich sah hin, ich wollte wegsehen, aber ich konnte es nicht. Damit ihr die Gefühlsduselei überwindet, sagte Mauritz. Denkt an das, was ihr haßt – es ist diese Ratte! Habt ihr Mitleid mit einer Ratte?
    – eine Einheit: Sturmbahnlaufen, Nahkampfübung. Angriff mit dem Messer im Eisenbahnabteil, Flugzeug, in der U-Bahn, erklärte Mauritz. Wenig Platz zwischen den Sitzen. Das Messer ist die gefährlichste Waffe. Nicht, weil es wirklich die gefährlichste ist, sondern weil die Menschen die größte Angst davor haben. Aber um lebensgefährlich zu verletzen, muß die Klinge ungefähr zehn Zentimeter tief eindringen. Ausnahme: Stich in die Halsschlagader oder in die Augen. Die meisten Opfer weisen Dutzende von Stichen auf. Ihr seid also in der Regel selbst nach mehreren Stichen noch kampffähig. Oberstes Gesetz: Nie die Hand oder den Arm ausstrecken! Statt dessen: ansatzloser Schlag auf das Handgelenk. Er ließ meinen Nachbarn vortreten. Er hieß Dirk, ehemaliger Rechtsanwalt aus Berlin, Mitglied der Organisation Wiedergeburt und Gehilfe in Mauritz’ Patentanwaltskanzlei, nachdem ihn die Anwaltskammer ausgeschlossen hatte. – Du mußt auf das Herz schlagen, du mußt die Faust so kräftig ballen, daß die Knöchel weiß

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