Der Eisvogel - Roman
Hoffnungen, die Zuversicht bitter, es war ein Zwang, ich mußte trinken und konnte nicht vergessen; die Bilder blieben und brannten sich ins Gedächtnis
– Patrick, bist du zufrieden? Ich meine, so mit allem? – Wiggo. Lach mal, – Hast du mir schon mal gesagt, aber du hast mir nicht auf meine Frage geantwortet, du weichst aus, ich will dir mal was sagen: Lachen ist Resignation, wer lacht, hat aufgegeben, – Sag, daß das nicht dein Ernst ist, oh Gott, – Eben, – Du wirst es so schwer haben, Wiggo. Du wirst nie eine Frau finden, niemand, der dir den Rücken mit Sonnenöl einschmiert, der deinen starken Arm in Richtung Schuhgeschäft lenkt. Immer nur Männermagazine. Immer nur aus Konservendosen essen, – Du kannst mich mal, – Sprach der Philosoph. Was für eine Überraschung, dein Wortschatz. Patrick spitzte die Lippen, – Leck mich am Arsch, – Na, na. Wo soll das hinführen. So weit geht die Freundschaft nicht– Oktobermond: Aus den Seminarräumen der Universitätsgebäude drangen wieder Rede, Gegenrede, das Klacken der Diaprojektoren, Türen schlugen in den fahlgelb erleuchteten, schachtartigen Fluren, in den Treppenhäusern hallten die Schritte, die Fahrstühle waren überfüllt und die Schwarzen Bretter übersät mit den Anschlägen der Job-, Wohnungs-, Sinnsuchenden, Kopiergeräte summten, die Sekretärinnen der Professoren hatten wieder, wie in jedem Oktober, einen Ausdruck schmallippiger Hysterie in den Gesichtern, wenn die Studenten vor ihren Zimmern Schlange standen, durcheinander sprachen, Fotos zeigten, überlaut Bach und Smashing Pumpkins hörten, im Akkord mit ihren komplizierten Anliegen vorrückten, Momente der Stille, bläulich flackernder Widerschein von Computerbildschirmen auf den Brillengläsern, während sich die Nasenflügel darunter blähten und zusammenzogen, vom vielen Schneuzen entzündet waren, Unruhe
– ich suchte, haltlos, die Stadt war durchflirrt von den Tanzlichtern des Herbsts, ich trieb in den Passantenströmen, suchte, auf den noch spätsommerlichen Straßen rollte der Sonnenwagen mit verhängten Zügeln, Plätze, wo der Verkehr vorüberschwamm wie ein endloser Zug von Tiefseewesen mit Leuchtfühlern und phosphoreszierenden Augen, suchte in Cafés und Kneipen, klingelte bei Jost, wir hörten Musik, ich lief auf und ab, fragte ihn nach seinem Tag, seinen Plänen, wie um eine Kruste aus Schweigen zu durchbrechen, die ich wachsen spürte, nickte zerstreut auf seine Antworten, ging wieder. Manchmal, nachts, bestand alles aus Träumen, wenn ich eine Frau sah, die mir gefiel, folgte ich ihr in der Hoffnung, daß sie mich sehen und stehenbleiben, vielleicht ein Gespräch beginnen würde; vergeblich, wahrscheinlich dachten sie, was will der Typ von mir, warum verfolgt mich der Kerl, und statt nach einem Stück Papier haben sie wohl, wenn sie die Handtascheöffneten, nach Pfefferspray gesucht. Einmal faßte ich Mut, fragte nach der Farbe des Himmels über der Stadt, an dem im Süden noch die Sterne des Sommerdreiecks leuchteten, während im Osten schon Andromeda und Perseus standen, sie lächelte verdutzt und schaute nach oben, das Haar zurückstreichend, sagte Dunkelblau, dann: Blauschwarz, dann: Aubergine, – Nein, sagte ich leise. Es ist kein Violett dabei, es ist das Blau eines Mohnkorns
N a, wird’s denn was, Herr Ritter, schon aufs Töpfchen gemußt? Dieser Kleinkinderton, in dem sie glauben, mit einem reden zu müssen, als gäbe man am Krankenzimmer sein Erwachsensein ab und wäre nichts weiter als ein hilfloser Säugling, wie demütigend das ist, daß mir dieser Drachen den Hintern wischen muß, – Nein, noch nichts, – Na, Sie haben ja eine Klingel, drücken Sie drauf, wenn’s soweit ist
– Schaum, ist es das, was bleibt, der Schaum der Erinnerung, manchmal ballte er sich zu Strandgut, fremdartig klar und wirklich. Dann hörte ich Vaters Stimme, wie damals in Nizza: Ich gehe spazieren, sagte er, wenn die Dämmerung eines Augusttages veilchenfarbene Schatten auf die Wellen der Corniche senkte; weder Oda noch Mutter fragten, wohin er ging, sie verstanden, daß er nach einem anstrengenden Tag in der Bank Ruhe brauchte. Kommt was im Kino? erkundigte er sich, warf die Zeitung wieder hin, in die er flüchtig geblickt hatte. Fruchtfliegentage : ein nie zuende gedrehter Film der Nouvelle Vague, es gab nur einzelne Szenen des Drehbuchs und die Beschwörungen eines Erzählers. Fruchtfliegentage, Geruch nach eingelegtem Obst und frischer Wäsche, der sommers das Haus
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