Der Elefanten-Tempel
viel näher dran waren und die Tritte den Boden erbeben ließen. Seltsam!
Gemächlich verteilten sich die Elefanten über das Gelände. Mit einem leisen Befehl brachten die Mahouts ihre Tiere dazu, ein Vorderbein zu heben, und kletterten daran hinab auf den Boden. Die meisten der Mahouts beachteten Ricarda und Sofia nicht, sie waren mit ihren Tieren beschäftigt, doch als einer der Männer Ricarda und Sofia sah, winkte er sie herüber.
Ricarda klopfte das Herz bis zum Hals, als sie sich in Bewegung setzten. »Ich glaube, das ist Ruang, der Chef hier«, sagte sie leise zu Sofia, und die nickte. Es beruhigte Ricarda, dass auch Sofia ein wenig nervös wirkte.
Ruang war ein kleiner, aber muskulöser Mann mit schwarzen Haaren im Bürstenschnitt und einem Schnurrbart. Wie die anderen Mahouts war er barfußund einfach gekleidet, weite Hosen und ein Hemd, das von einem Gürtel zusammengehalten wurde. Darin steckte eine Art Stock mit einem Metallhaken an einem Ende. Oje, wozu benutzten die das Ding? War das so eine Art Gerte für Elefanten? Das sah ganz schön brutal aus!
Der Chef des Elephant Refuge strahlte Autorität aus, und auf einmal machte sich Ricarda Sorgen. Was, wenn er entschied, dass sie für die Arbeit mit Elefanten nicht zu gebrauchen, weil zu schüchtern, war?
»Das ist Mae Suchada«, stellte Ruang seinen Elefanten vor. Freundschaftlich hängte Mae Suchada ihm den Rüssel über die Schulter und schnaufte. »Die Namen aller erwachsenen Weibchen, die schon Nachwuchs hatten, beginnen in Thailand mit Mae, das ist Tradition.«
Mae Suchada fächelte mit den Ohren und streckte den Rüssel vor – was sollte das heißen, war sie neugierig? Ricarda versuchte in ihren teebraunen Augen zu lesen, die von dichten, fingerlangen Wimpern umgeben waren. Freundlich und gelassen sahen diese Augen aus.
Jetzt stand Ricarda nur noch eine Armlänge von der Elefantin entfernt. Es war ein überwältigendes Gefühl, diesem gewaltigen Tier so nahe zu sein. Instinktiv streckte sie der Elefantin die offene Handfläche hin und die Rüsselspitze untersuchte sie.
»Sie nimmt deine Witterung auf«, sagte Ruang.
»Hallo, du«, sagte Ricarda leise auf Deutsch. Wahrscheinlich verstand ihr Gegenüber nur Thai, aber egal,den Ton ihrer Stimme würde sie begreifen. Vorsichtig streichelte Ricarda über den Rüssel, der dort, wo er in die Stirn überging, hart war wie die Rinde eines Baumes und weiter unten biegsam wie festes Gummi. Ein paar drahtige Haare sprossen darauf.
Sofia blickte skeptisch drein. »Spürt sie überhaupt, wenn man sie berührt, durch ihre dicke Haut?«
»O ja.« Ruang nickte. »Sie merkt sogar, wenn eine Fliege auf ihr landet. Und an manchen Stellen ist sie richtig kitzelig, zum Beispiel an den Fußsohlen.«
»Was bedeutet denn ihr Name … Suchada?«, wagte Ricarda zu fragen.
»Die Hochgeborene«, erklärte Ruang. »Weil sie ein ranghohes Weibchen ist. Aber als sie zu uns kam, hatte sie Entzündungen am ganzen Körper, ihr Besitzer hatte sie vernachlässigt. Wir haben sie freigekauft. Schon längst ist sie geheilt und wir können sie reiten.« Er hob den Finger. »Regel hier im Refuge: Niemand reitet Elefanten allein, immer jemand dabei. Okay?«
»Okay«, sagte Ricarda gehorsam.
»Okay?«, beharrte Ruang und sah Sofia an. Doch die antwortete nicht, sondern schrie auf.
Hinter ihr stand ein junger Elefant, der kaum so groß war wie sie, und stupste sie mit dem Rüssel an. Auf seinem Kopf sprossen dichte braune Haare, noch nie hatte Ricarda einen so wuscheligen Elefanten gesehen. Der Kleine quiekte vor Vergnügen, dass ihm die Überraschung gelungen war, und rannte mit hoch erhobenem Rüssel davon.
»Vor Noi müsst ihr euch in Acht nehmen.« Mit einem Blick, der halb streng und halb amüsiert war, blickte Ruang dem Kalb hinterher.
»Sie hat mir eine Rolle Mentos aus der Hosentasche geklaut! Die waren noch aus Deutschland!« Sofia musste lachen. »Ich fürchte, sie hat das Einwickelpapier mitgefressen.«
»Sie bekommt gleich noch was anderes in den Magen, glaube ich«, meinte Ricarda und deutete auf den großen freien Platz. Inzwischen holten die anderen Mahouts dort Futter von einem Anhänger herunter und verteilten es in großen Haufen auf dem Gelände. Etwas, was Ricarda als Bambus erkannte, Reste von Maispflanzen, Teile von Bananenstauden.
Die anderen Elefanten mampften schon friedlich und nun gesellte sich auch Mae Suchada zu ihnen. Sofort eroberte sie sich den besten Platz, der Rest der Herde rückte
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