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Der Elefanten-Tempel

Der Elefanten-Tempel

Titel: Der Elefanten-Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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überwinden konnte, aufzustehen; Sofia war gar nicht erst wach geworden.
    Ricarda lehnte sich ans Fenster und schaute nach draußen. Es war nicht völlig dunkel, der zunehmende Mond tat sein Bestes, um die Sterne zu überstrahlen. Außerdem brannte im Haupthaus noch Licht. Ein paar Leute gingen mit schnellen Schritten über das Gelände. Ricarda fröstelte in der kühlen Nachtluft, doch ihre Neugier war geweckt. War irgendwas vorgefallen? Doch weiter tat sich nichts.
    Draußen surrten ein paar Moskitos und wollten herein, mit Riesenappetit auf ihr Blut. Vergesst es, mich kriegt ihr nicht, dachte Ricarda. Sie ließ sich wieder auf ihre Matratze sinken und zog das kühle, glatte Laken über sich.
    Morgen. Morgen würde sie herausfinden, was geschehen war.

Stolz
    Ricarda glotzte in eine Porzellanschüssel, die vor ihr stand. Ein dicker weißer Brei war darin und irgendwelche dunklen Stückchen schwammen dicht unter der Oberfläche.
    »Probier du zuerst«, flüsterte sie Sofia zu.
    »Nein, du«, zischte Sofia zurück und schenkte Gulap, Ruangs Ehefrau, die sie erwartungsvoll beobachtete, ein breites Lächeln. Gulap lächelte zurück und nickte ermutigend. »Mach schon. Sonst werden wir nie wieder zum Frühstück ins Haupthaus gebeten.«
    »Na gut.« Ricarda schob sich die Löffelspitze vorsichtig zwischen die Lippen und wartete ab, bis der Geschmack auf ihrer Zunge angekommen war. »Salzig. Reisbrei, glaube ich. Und das Braune ist irgendein Fleisch.«
    Sofia lächelte Gulap entschuldigend zu und schob die Schüssel beiseite. »Zum Frühstück? Ich organisiere mir ein paar frische Früchte. Falls die Elefanten welche übrig gelassen haben.«
    Frische Früchte, ja, das klang gut. Aber schlecht war der Reisbrei auch nicht. Ricarda gönnte sich noch einen Löffel davon. Sie hatte in den letzten Monaten fast nur vegetarisch gegessen, weil sie Fleisch nicht so mochte. Aber dieses schmeckte angenehm würzig.
    Chanida kam aus einem Nebenzimmer, nun wieder in ihre makellose Schuluniform gekleidet. Sieverbeugte sich mit gefalteten Händen vor ihrer Mutter, dann zwinkerte sie Sofia und Ricarda zu und ging zur Außentreppe, die aus der luftigen Höhe des Stelzenhauses wieder auf den Boden führte. »Bis heute Nachmittag! Habt ihr eigentlich mitbekommen, was gestern Abend passiert ist?«
    »Äh, nein …«
    »Fragt Kaeo – ich muss los!«
    Gestikulierend machte Gulap ihnen Mut, nachzusehen, was draußen vorging. Sofia und Ricarda tauschten einen Blick, ließen ihre Schüsseln im Stich und kletterten ebenfalls die Treppe hinunter.
    Sie fanden Kaeo und Ruang auf einem Übungsgelände. Es war ein großer Platz aus festgestampfter heller Erde, umgeben von einem Ring aus gefällten Baumstämmen. Ihnen gegenüber sah Ricarda einen jungen Mann und eine Elefantin. Beide wirkten erschöpft und hungrig. Sie standen nah beieinander, es war, als würde der eine beim anderen Schutz und Trost suchen. Der junge Mann hatte eine Hand auf den Rüssel der Elefantin gelegt, was das riesige Tier offenbar beruhigte.
    »Ich glaube, das sind Neue«, sagte Sofia erstaunt. »Wo sind die denn hergekommen?«
    Ricarda spürte sofort, dass Sofia recht hatte, diese beiden gehörten nicht zum Refuge – sie wären ihr gestern sicher aufgefallen. Die Elefantin war ungewöhnlich groß; ihr rechtes Ohr hatte am Außenrand mehrere Kerben. Sie strahlte eine Kraft und Würde aus,die Ricarda beeindruckten. Und der junge Mann … er hatte ein Gesicht, das man nicht leicht vergaß, mit breiten Wangenknochen, einer geraden Nase und ruhigen, dunklen Augen, kraftvoll und stolz. Sein schwarzes Haar glänzte in der Sonne wie Obsidian.
    »Der sieht ja aus wie ein Bettler«, sagte Sofia.
    Ricarda ärgerte sich darüber, ohne zu wissen warum, denn ganz falsch konnte Sofia nicht liegen. Das Hemd des jungen Mannes war sicher einmal weiß gewesen, doch jetzt war es voller Staub und Flecken. Seine hellbraune, weite Hose, die von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde, sah schon arg fadenscheinig aus; an einer Stelle war sie eingerissen. Auch seine einfachen Ledersandalen hatten schon bessere Tage gesehen und waren bedeckt vom Staub der Pfade.
    Doch die Haltung des jungen Mannes wirkte nicht wie die eines Bettlers. Er hielt sich sehr gerade und blickte Ruang und Kaeo direkt in die Augen.
    Irgendetwas an dem Fremden kam Ricarda seltsam vor und nach einem Moment fiel es ihr ein. Etwas fehlte. Der Fremde lächelte nicht.
    Aus irgendeinem Grund gefiel ihr das.
    Ruang und Kaeo wirkten

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