Der Elefanten-Tempel
vorsichtig und abwartend, sie sprachen lange mit dem jungen Mann. Neugierig hielt sich Ricarda im Hintergrund und lauschte, obwohl sie kein Wort verstand. Doch Sofia wurde es schon langweilig. »Los, schauen wir mal, wo sich unsere Elefanten gerade herumtreiben.«
»Ach, lass uns noch eine Minute warten, vielleichtfinden wir heraus, was hier eigentlich los ist«, meinte Ricarda und Sofia ließ sich überreden.
Sie hatten Glück, keine zwei Minuten später löste sich Kaeo aus der kleinen Gruppe, ging hinüber zum Hauptgebäude. »Wir fahren jetzt los, Futter besorgen, helft ihr mit?«
»Ja, klar«, sagte Ricarda schnell und schaute noch einmal zu dem Neuankömmling hinüber. Gerade in dem Moment schien er sie zum ersten Mal zu bemerken und ihre Blicke kreuzten sich. Seine Augen waren dunkel wie die eines Falken. Ricarda merkte, wie sich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete, schnell blickte sie weg und wünschte zugleich, sie hätte es nicht getan.
Sofia hatte nichts davon bemerkt, sie plauderte schon wieder mit Kaeo, der zusammen mit zwei Helfern in einen Kleinlaster mit Anhänger gestiegen war. »Was ist denn mit den beiden da? Wieder ein neuer Elefant, der Hilfe braucht?«
»Nicht ganz«, meinte Kaeo und lenkte den Kleinlaster durch das Eingangstor. »Diesmal will der Mahout auch hierbleiben. Er meint, der Elefant gehöre seiner Familie und sie könnten ihn nicht mehr ernähren.«
Ricarda nickte – das konnte sie sich vorstellen, nachdem sie gesehen hatte, wie viel die Tiere im Refuge jeden Tag vertilgten. »Woher kommt er denn?«
»Aus der Gegend von Surin, aus dem Dorf Ban Ta Klang. Er gehört zu den Guay, die dort leben; ein ganz alter Volksstamm das ist. Sie fangen und züchtenElefanten schon seit Jahrhunderten. In Ban Ta Klang noch heute hat jede dritte Familie einen eigenen Chang , einen Elefanten. Aber ist schwer, so zu leben, seit König Bhumibol das Bäumefällen verboten hat. Früher haben Elefanten bei Waldarbeiten geholfen. Jetzt sind arbeitslos sehr viele.«
Ein anderes Auto vor ihnen bog ab, für Kaeos Geschmack zu langsam. Er lehnte sich auf die Hupe und Ricarda dröhnten die Ohren. Als sie wieder etwas hören konnte, bekam sie gerade noch Sofias Frage mit: »Wird der Mann dann hier arbeiten?«
»Das muss Por noch entscheiden«, wich Kaeo aus und Ricarda begann sich Sorgen zu machen. Hoffentlich entschied Ruang, dass die beiden bleiben durften! Sie hatten so erschöpft ausgesehen. Wahrscheinlich hatten sie eine lange Wanderung hinter sich. Wie weit war es eigentlich von Surin bis hierher? So wie der Neue aussah, fast endlos weit.
»Wie heißen die beiden eigentlich?«, hakte Sofia nach.
Ricarda war dankbar für die ungestüme Neugier ihrer Freundin – sie war nicht sicher, ob sie den Mut aufgebracht hätte, all diese Fragen zu stellen.
»Der Elefant heißt Devi und der Mahout Nuan. Seinen richtigen Namen weiß ich allerdings nicht.«
»Äh, wieso, ist Nuan nicht sein richtiger Name?« Ricarda war verblüfft.
Kaeo erklärte, dass die Vor- und Nachnamen in Thailand oft lang und kompliziert sind, deshalb redensich die meisten Leute mit einem Spitznamen an, den sie meist schon bei der Geburt bekommen. Nuan war ein solcher Spitzname, er bedeutete Vollmond.
Sofia lachte. »Das ist ja lustig. Und deiner – was bedeutet Kaeo?«
»Stein, nein, Juwel, wie sagt man?« Kaeo überlegte. »Diamant, genau! Ein guter Name und er hat mir Glück gebracht. Wenn mir nicht bringt Glück, kann ich Name noch wechseln.«
Doch Ricarda hörte schon nicht mehr zu. Nuan . Lautlos bewegte sie die Lippen, probierte den Namen aus. Vollmond. Ob Nuan manchmal, wenn er mit Devi in den Wäldern übernachtete, hochschaute zu seinem Namensvetter, der am Himmel leuchtete?
In der Zwischenzeit hatte Sofia herausgefunden, dass auch Ruang ein Spitzname war und »der Glänzende« hieß, Tao bedeutete »Schildkröte« und Gulap »Rose«. Nur Chanida hieß schon immer und zu jeder Zeit Chanida. »Irgendwie blieb keiner der Spitznamen kleben«, meinte Kaeo und grinste. »Meine Schwester eben!«
Auch die beiden Helfer, die mit im Kleinlaster saßen, stellten sich vor. Sofia und Ricarda mussten grinsen, als sie erfuhren, dass einer von ihnen, ein über und über tätowierter junger Mann, der schon die ganze Fahrt über Kaugummi kaute, »Seven« hieß, nach einer amerikanischen Ladenkette namens »Seven Eleven«, die auch in Thailand sehr verbreitet war.
»Dann ist es ja nur noch eine Frage der Zeit, bissich die Leute auch
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