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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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jetzt will sie auch nicht mehr fressen, obwohl …«
    »Druse.«
    Samuel drehte sich nicht um. Er ahnte, dass sie wieder auf schamlose Art ihr Haar unbedeckt trug. Deshalb hatte er auch barscher geantwortet, als es sich für einen sanften Täufer gehörte.
    »Und was bedeutet das?«
    »Sie kann daran eingehen oder blind werden.«
    »Warum machen Sie mir solche Angst? Man muss doch irgendwas machen können.«
    »Ja, zu allererst diesen Sauhaufen hier putzen! Hier krepiert über kurz oder lang jedes Lebewesen.«
    Für eine Weile sagte sie nichts. Aber er hörte sie schräg hinter seiner linken Schulter atmen.
    »Sie haben doch die Knechte gesehen, wie soll es denn mit denen hier ordentlich sein? Wollen Sie mal einen Blick in unsere Küche werfen?«
    Die spitze Ironie in ihrer Stimme und die Tatsache, dass sie sich anscheinend überhaupt nicht schämte oder, wenn doch, damit auch noch angab, taten ihm bis auf die Knochen weh. Am liebsten wäre er sofort wieder gegangen. Aber das Pferd hustete in dem Moment so erbärmlich, dass Hochstettler nicht umhinkam zu sagen:
    »Warme Umschläge wären eine Möglichkeit, die Entzündung abzuheilen. Lassen Sie Kartoffeln kochen und Bettlaken, aber saubere, bringen. Ach ja, und alle anderen Pferde müssen raus, sonst stecken sie sich noch an.«
    Als er sich dann doch umdrehte, sah er nur noch ihren roten Rock wie eine der Fahnen, mit denen die unchristlichen Weltleute in ihre Kriege zogen, aus dem Stall flattern.
    Am nächsten Tag kam Samuel Hochstettler wieder und brachte vorsorglich ein scharfes Messer mit. Branntwein, so vermutete er, würde genügend im Haus sein. Madeira ging es trotz der Wickel, die tatsächlich um ihren Hals gebunden waren, schlechter. Ein Blick in ihren vollen Eimer und Trog genügte, um zu sehen, dass ihr das Schlucken Schmerzen bereitete. Ihre Augen schauten trüb, ihr Maul war mit Rotz verklebt. Sie röchelte und bekam schwer Luft. Samuel fühlte, dass die Schwellung am Hals größer geworden war. Wahrscheinlich fieberte sie auch. Jemand würde sie halten müssen bei dem, was er vorhatte, aber keiner der Lümmel ließ sich blicken.
    Zornig stiefelte er ins Haupthaus, zornig verlangte er in der Küche Branntwein. Wortlos händigte die Ammerling ihm eine Flasche aus. Vielleicht hatten die Küchenmägde Bescheid gegeben, jedenfalls tauchte auch der rote Rock wieder im Stall auf. Samuel ließ sich nicht von seiner Arbeit ablenken. Er streichelte das kranke Tier und trocknete sein nassgeschwitztes Fell mit Stroh. Es dauerte, bis die Stute zur Ruhe kam. Erst dann band er ihre Vorderfüße zusammen, hörte aber nicht auf, ihr leise die Kosenamen zuzuraunen, die er sich schon für ihre Mutter ausgedacht hatte. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als doch einen Satz über seine Schulter zu werfen.
    »Können Sie sie halten, richtig halten, meine ich.«
    Charlotte ersparte sich eine Antwort. Stattdessen griff sie mit den Händen rechts und links in die Ringe der Trense und kniff die Augen zu. Als Samuel das Messer ansetzte, hielt sie mit aller Kraft gegen, damit Madeira sich nicht aufbäumen konnte. In dem Moment, in dem der Eiter herausspritzte, stieg ihr auch schon der Geruch in die Nase, und sie musste würgen. Aber sie hielt ihr zitterndes, mit den Hinterfüßen ausschlagendes Pferd weiter fest.
    »Ich denke, das reicht. Der Abszess ist vorerst leer und vor allem offen, so dass der Eiter abfließen kann.«
    »Ah ja, gut.«
    »Jetzt braucht sie Ruhe. Mit Gottes Hilfe und etwas mehr Sauberkeit und frischer Luft im Stall wird sie sich erholen. Die heißen Wickel müssen aber noch ein paar Tage gemacht werden.«
    Schnell entkorkte Samuel die Flasche, schüttete Branntwein auf ein Tuch und tupfte damit behutsam die Wunde aus, sodass erneut eine Welle von Schmerz und Angst durch das Pferd lief. Charlottes Hände waren inzwischen mit blutigem Rotz verschmiert und ihre Arme vor Anstrengung taub. Endlich gab er ihr ein kleines Zeichen, dass sie loslassen konnte.
    Madeira hustete, und beide tätschelten jeweils eine ihrer Flanken. Es gab nichts mehr zu reden. Jedenfalls nichts über das Pferd, dessen Kopf zwischen ihnen ruckte und zuckte, so dass glücklicherweise nur immer kurz und ausschnittsweise Bart beziehungsweise Haare für den anderen zu sehen waren. Als Samuel das Messer säuberte, wusste Charlotte, dass, wenn überhaupt, sie jetzt fragen musste.
    »Was war denn so schlimm an dem kleinen Vergnügen in der Scheune, dass Sarah wie eine Aussätzige

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