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Der Elfenhuegel

Der Elfenhuegel

Titel: Der Elfenhuegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Augen von Sean zu Barney und wieder zurück wanderten. Die Jahre der Lehrtätigkeit hatten sie empfänglich für die Frustration gemacht, denen junge Menschen begegnen, die merken, daß man ihnen nicht zuhört.
    Sie dachte lange Zeit nach, dann sagte sie: »In Ordnung, mach weiter.«
    »In der Nacht, in der wir krank wurden, wurden wir nicht krank«, erklärte Sean. »Der Leuchtende Mann und das Böse Ding kamen in unser Zimmer…« Sean erzählte weiter, bis er die Geschichte dieser Nacht beendet hatte.
    Aggie hörte aufmerksam zu, und als Sean fertig war, sagte sie: »Sean, wie sah dieser Leuchtende Mann aus?« Intuitiv wußte sie: Vor ihr stand ein Junge, der nicht einfach eine Geschichte weitergab, die er ein- oder zweimal gehört hatte, sondern eher ein Junge, der etwas enthüllte, von dem er fest überzeugt war. Nachdem er alle ihre Fragen beantwortet hatte, wurde ihr Verhalten müder, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Barney, das ist unglaublich. Ich glaube nicht für einen Moment, daß der Junge tatsächlich den Amadan-na-Briona gesehen hat.
    Auch du kannst das unmöglich glauben.« Ihr Gesicht war leichenblaß.
    »Ich kann das sehr wohl glauben«, stellte Barney fest. »Und ich werde es auch, Aggie Grant. Du steckst deine Nase zu viel in Bücher und zu wenig in die wirkliche Welt.« Er stand auf und deutete auf das Fenster.
    »Da draußen sind Mysterien über Mysterien verborgen und Wunder von so tiefgründiger Magie, daß all deine Wissenschaften sie nicht beschreiben können. Unsere Geschichte erzählt davon, wie wir nach Irland kamen: wie wir herausfanden, daß der Firbolg und der Tuatha Dé Danann bereits auf der Insel lebten, und wie wir ihnen das Land abkämpften. Die Briten und ihre amerikanischen Kinder haben sich zu weit von ihren keltischen Wurzeln entfernt und von dem alten Wissen.«
    »Aber…«, begann Aggie.
    »Kein Aber, jetzt, wenn ich bitten darf, Miss Agatha Grant«, unterbrach Barney, während seine Augen aus dem schmutzigen Fenster seiner Bretterbude in die Ferne blickten. »Du kennst die Geschichten, die von den alten Völkern erzählt werden. Du hast sie niedergeschrieben, sie altmodisch und farbig gewichtet. Du hast keine der Personen, die du interviewt hast, gefragt, ob sie daran glaubt.
    Oder?«
    Aggie schüttelte ihren Kopf. Wo sie dachte, daß ein einfacher Ire leben würde, entdeckte sie nun, wohnte ein Mann mit einem tiefen Verständnis für sein kulturelles Erbe. Er erinnerte sich an alles , was er gehört hatte, und er war ein guter Zuhörer. Und er gab die Lehre weiter. Auf seine Art war Barney Doyle ein Barde, der die uralte Tradition am Leben erhielt.
    »Ich vermutete nur…«, sagte sie schwach.
    »Ja, und das ist dann das Wort, nicht wahr? Vermuten. Sie halten die alten Geschichten für nichts als Mythen und Legenden. Wir wissen, daß sie wahr sind«, flüsterte er. Er ließ seine Augen nicht von dem dunkler werdenden Himmel. »Ich denke, wir werden bald Regen kriegen.« Seine Stimme wurde leiser. »Was würdest du also sagen, wenn ich dir erzählte, daß ich selber den Daoine Sídhe einmal gesehen habe, als er auf einem Hügel im Mondlicht tanzte? Ich war noch ein Junge, nicht viel älter als Sean. Aber ich werde den Anblick niemals vergessen.
    Wunderschön, aber auch angsteinflößend, freudig und traurig, es war alles auf einmal. Die Musik war so schwach wie der Atem des Windes, und der Geruch der Blumen… Blumen aus einer anderen Welt. Ich spürte Wünsche und Verlangen, vermischt mit nicht zu geringer Furcht.« Er verkreuzte die Arme. »Und Gefahr für meine unsterbliche Seele. Sie verschwinden häufig aus unserem Blickfeld, die Alten Menschen, die Guten Menschen.« Er schaute Aggie hart an. »Aber sie sind immer noch hier, bei uns. Sie leben in derselben Welt, und es ist eigene Dummheit, die Wahrheit zu leugnen, weil es nicht modern ist zu glauben.«
    Die Sicherheit von Barneys Rede machte Aggie hilflos.
    »Bitte, Barney, wir müssen Patrick zurückholen. Wo kann ich ihn finden?« fragte Sean.
    Barney starrte aus dem Fenster, während die Nachmittagssonne die Farbe des Himmels in gelbe Rosen veränderte, die zwischen den zunehmend schwarzen Wolken hingen. »Er ist bei dem Narren, Junge, und dort ist er so gut wie verloren.«
    »Wer ist der Narr?« fragte der Junge und schien nicht bereit, zu akzeptieren, daß Patrick verloren war.
    Barney schaute unter buschigen Brauen hervor, und in seinen Augen konnte man nichts lesen. Doch es war Aggie, die sprach.

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