Der Elfenpakt
wieder entspannten.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Wie schrecklich … Und ich weiß noch nicht mal, wie du heißt.«
»Henry«, sagte Henry und wünschte sich sehnlichst, er hätte auf die Einschleimerei bei seinem Vater verzichtet und wäre gleich zu Mr. Fogarty gegangen. »Und Sie?«
»Du darfst nicht lachen … Ich heiße Laura Croft. Aber sag ruhig du zu mir.«
Henry starrte sie verständnislos an.
»Na, du weißt schon, wie dieses Computerspiel. Und der Kinofilm. Nur mit einem ›u‹ im Vornamen.«
»Ach ja …«, sagte Henry unsicher. Er spielte keine Computerspiele, und fürs Kino hatte er auch nie genügend Zeit. »Nett, dich kennen zu lernen, Laura.« Er hielt ihr die Hand hin und bereute es im selben Moment – aus ernsthafter Sorge, was wohl passieren würde, wenn sie das Handtuch losließ.
Aber sie schüttelte ihm ohne Zwischenfall die Hand und sagte (entweder weil sie Gedanken lesen konnte oder weil sie seinem Blick gefolgt war): »Ich muss mich erst mal anziehen. Ich war unter der Dusche, deswegen habe ich dich nicht gehört. Dein Vater müsste jeden Moment wieder hier sein. Mach dir doch einen Tee oder irgendwas …« Ihr Blick fiel auf den Becher in seiner Hand. »Oh, hast du schon, gut. Bin gleich wieder da.« Henry fiel auf, dass sie durch die Tür im Hauptschlafzimmer verschwand und nicht die Wendeltreppe hochging.
Henry lehnte sich auf dem Sofa zurück und überlegte, wie er es anstellen sollte wegzukommen, bevor sein Vater wieder auftauchte. Das war doch schon alles peinlich genug. Die Vorstellung eines Dreiergesprächs mit seinem Vater und dessen neuer Freundin war einfach schrecklich. Er nippte an seinem Tee, der inzwischen kalt geworden war. Das machte aber nichts, weil er ohnehin grauenhaft schmeckte. Henry beschloss, sich keinen neuen zu machen. Und außerdem beschloss er, nichts von alledem seiner Mutter gegenüber zu erwähnen, nicht mal, dass er bei seinem Vater vorbeigeschaut hatte.
Als die Frau wieder hereinkam, trug sie ein senfgelbes Kostüm, das bei den meisten Frauen wohl etwas schräg gewirkt hätte, irgendwie aber gut zu ihr passte. Ihre Haare waren immer noch nass, aber sie hatte sie zurückgekämmt. Plötzlich grinste sie ihn an.
»Weißt du, woher ich wusste, dass du wirklich Tims Sohn bist und nicht vielleicht irgendein dahergelaufener Einbrecher?«
Henry schüttelte den Kopf.
»Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte Laura. Und dann fügte sie ernsthaft hinzu: »Du hast die gleichen sanften Augen.«
»Entschuldigung«, sagte Henry, peinlich berührt. »Ich muss jetzt gehen.« Um eine Katze zu füttern, hätte er fast hinzugefügt, aber das hätte einfach zu albern geklungen.
»Du kannst doch nicht schon gehen«, sagte Laura streng. »Tim würde mich umbringen. Ich mache dir noch einen Tee.« Sie spähte in seinen Becher mit den Milchpulverklümpchen. »Dieser da sieht komisch aus.«
Henry setzte sich wieder hin. Er sah keine Möglichkeit, einfach wieder zu gehen, auch wenn er es liebend gern getan hätte. Laura ging in die Küche, und er beobachtete durch die geöffnete Tür, wie sie mit einer Leichtigkeit herumhantierte, die den Eindruck erweckte, als ob sie hier zu Hause wäre.
»Nimmst du Milch und Zucker?«, rief sie.
»Da ist keine Milch«, sagte Henry.
»Aber ja.« Sie brachte den Tee in einer richtigen Teetasse, obwohl sich Henry nicht vorstellen konnte, wo sie sie gefunden hatte. Und mit Milch.
Er nahm einen Schluck. »Du und Papa, seid ihr … na ja …?«
Sie schaute ihn einen Moment an, mit der Andeutung eines Grinsens, dann kam sie ihm zu Hilfe und sagte: »Ein Paar? Ja. Ja, das sind wir. So viel älter als ich ist er gar nicht.«
»Nein, denke ich auch«, nickte Henry, obwohl er es überhaupt nicht dachte.
»Ich bin nicht auf der Suche nach einer guten Partie«, sagte Laura.
Henry sah sie verblüfft an. Ihm war überhaupt noch nie in den Sinn gekommen, bei seinem Vater könnte etwas zu holen sein. Aber wenn man es bedachte: Tim Atherton war erfolgreicher leitender Angestellter einer großen Firma, und er fuhr einen Mercedes, was wohl bedeutete, dass es ihm finanziell recht gut ging. Außerdem hatte er ein Spesenkonto zur Betreuung seiner Kunden und kannte deswegen die besten Restaurants. Auf jemanden, der nicht zur Familie gehörte, machte er wahrscheinlich wirklich einen wohlhabenden Eindruck.
»Das hab ich auch gar nicht gedacht«, erwiderte Henry, und diesmal meinte er es ehrlich.
Laura setzte sich neben ihn aufs Sofa.
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