Der Elfenpakt
aufgeregt nach allen Seiten um. »Naggel, du hast die Dämonen Flüssige Finsternis genannt. Soll das heißen, dass du sie früher schon mal hier in der Wüste gesehen hast?« Das musste es wohl bedeuten. Niemand benutzte einen speziellen Ausdruck für etwas, was er nie zuvor gesehen hatte.
Naggel nickte. »Yar«, sagte er.
»Woher kommen sie denn?«, fragte Pyrgus, offensichtlich bemüht, seine wachsende Aufregung zu zügeln.
Naggel deutete in eine bestimmte Richtung. »Do rüben, ewwa neyne nunde weyze Fuss, beyde groe Felz.«
Pyrgus’ Ohren mussten sich wohl so langsam an Naggels Sprache gewöhnt haben, denn er hatte fast das Gefühl, ihn verstanden zu haben. Trotzdem wandte er sich an Nymph.
»Dorthinten, wo er hinzeigt, ungefähr eine Stunde Fußmarsch entfernt. Offenbar liegt die Stelle neben dem so genannten Großen Felsen.« Sie blickte ihn gespannt an. »Was hast du denn?«
»Hör mal«, sagte Pyrgus aufgeregt. »Dort in der Wüste steht eine ganze Armee, wie wir gesehen haben. Aber wir haben bislang keine Sekunde überlegt, wie sie überhaupt dort hingekommen ist. Stimmt’s?«
»Stimmt …«, sagte Nymph zögernd.
Er fasste sie an der Schulter. »Es müssen Portale sein. Es gibt keinen anderen Weg, so viele Truppen in so kurzer Zeit hierher zu bringen. Na gut, vielleicht per Schiff, aber sicher nicht unbemerkt. Also sind es Portale! Nur können es nicht die normalen sein. Wenn sie die wieder geöffnet hätte^ hätten wir es doch gemerkt – richtig?«
»Richtig …«, bestätigte Nymph, nun noch zögerlicher.
»Also muss Beleth neue Portale installiert haben!«, rief Pyrgus. »Ich weiß, was Naggel mit dem Großen Felsen meint. Ein Naturwunder mitten in der Wüste, zu dem man so schwer hinkommt und das so weit ab vom Schuss liegt wie nur irgend möglich. Wie geschaffen für Beleths Portale und für seine dämonischen Truppen – schließlich lieben sie die vulkanischen Bedingungen. Begreifst du denn nicht, Nymph …?«
»Was denn, Pyrgus?«, fragte sie geduldig.
Er setzte ein Grinsen auf. »Gegen die Truppen, die Beleth bereits hergeschafft hat, können wir hier und jetzt nichts ausrichten. Aber wenn wir die Portale zerstören, verhindern wir, dass er weitere schickt! Keine Verstärkung. Kein Nachschub. Das kann über Sieg und Niederlage entscheiden.«
Nymph schien sofort Feuer und Flamme zu sein. »Weißt du denn, wie man zum Großen Felsen kommt?«
Pyrgus schüttelte den Kopf. »Nein, aber Naggel weiß es – er kennt die Wüste wie seine Westentasche. Und seine Leute können uns vielleicht helfen. Violette Trinianer sind Krieger. Sie könnten uns unterstützen, falls die Portale bewacht werden. Und grüne Trinianer sind begnadete Techniker – Innatus hat doch dieses kleine Ding da hergestellt –, sie könnten uns bei der Zerstörung helfen. Das ist eine unglaubliche Chance, Nymph. Alle zusammen könnten wir wirklich was bewirken. Und wenn wir uns beeilen, könnte noch vor Einbruch der Nacht alles erledigt sein.« Er wandte sich wieder an Naggel. »Wirst du uns helfen?«
»O yar«, sagte Naggel.
NEUNZIG
P yrgus wurde es langsam ein wenig leid, sich ständig mit dem Gesicht im Dreck irgendwo anzupirschen, aber es war zugegebenermaßen besser, als von Dämonen gesichtet zu werden. Vorsichtig hob er den Kopf.
Vor ihm erhob sich der Große Felsen wie das Rückgrat der Einöde, ein fast senkrechtes Sandsteinmassiv, das so hoch in den Himmel ragte, dass es sein eigenes Mikroklima produzierte, indem es Staub und Sand vom Boden aufsog und in feinen Wirbeln, die wie Flaschengeister aussahen, in die Lüfte trug.
Pyrgus drehte den Kopf ein wenig, und im nächsten Moment bekam er den Mund nicht mehr zu. In Abständen von kaum mehr als ein oder zwei Metern lagen vor ihm genau die Portale, die er erwartet hatte. Nur dass es viel, viel mehr waren, als er es sich in seinen schlimmsten Albträumen hätte ausmalen können. Es waren Unmengen, Hunderte, Tausende. Wie endlose Reihen von Wachtposten am Fuße des Felsens, so weit das Auge reichte. Sie konnten unmöglich gebaut worden sein, seit die normalen Portale geschlossen worden waren. Beleth musste sie bereits seit Jahren heimlich errichtet haben.
Es gab keine sichtbaren Wächter. Aber vielleicht ging Beleth ja davon aus, dass keine nötig waren. Um eine derartig große Anzahl von Portalen zu zerstören, hätte man bereits eine ganze Armee gebraucht, und selbst dann hätte es bestimmt Tage, wenn nicht Wochen oder sogar Monate gedauert. Doch
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