Der Elfenpakt
Entscheidungen mehr infrage stellen. Oder seine Anordnungen.
Er stieg aus dem Flieger und betrat den Hauptteil der Höhle. Vor seinen Augen lagen die Verstärkungseinheiten der Nachtelfen, ebenso geduldig abwartend wie die Dämonen in der Wüste. Es herrschte weitaus weniger Betriebsamkeit als bei seinem letzten Besuch. Alle Vorbereitungen waren getroffen worden, alle Vorräte und Waffen waren gelagert und einsatzbereit. Es war eine Armee, die letzte Befehle erwartete, die so kurz davor stand, in Aktion zu treten, wie ein gespannter Bogen. Die Frage war nur, welchen Befehl man erteilen sollte.
Bis jetzt hatte Hairstreak seine riesige Armee in Bereitschaft gehalten. Aber er musste sich bald entscheiden. Blue machte ihn wütend. Wenn sie die Dringlichkeit der Lage doch nur begreifen würde, wäre seine Entscheidung längst gefallen. Ein Bündnis gegen die Dämonen war der einzig vernünftige Weg. Alles andere wäre Wahnsinn. Und doch würde dieser Wahnsinn ihm vielleicht aufgezwungen werden. Konnte er es sich leisten, bis morgen zu warten? Und was würde geschehen, wenn Blue sich entschied, das Abkommen abzulehnen? Sollte er seine restlichen Truppenverbände gegen die Lichtelfen ziehen lassen? Oder sollte er sie zunächst gegen Beleths Legionen einsetzen?
Dort in der Wüste warteten fast eine Million Dämonen -Wesen, die keine Todesangst kannten. Wenn sie erst einmal losmarschierten, waren sie so unaufhaltsam wie Ameisen. Sie überschwemmten einen in immer neuen Wellen, egal, wie viele man tötete. Außerdem: Wenn es Beleth bereits gelungen war, eine ganze Armee durch die Portale einzuschleusen, würde er auch in der Lage sein, jederzeit für Nachschub zu sorgen. In Hael gab es unglaubliche Mengen von Dämonen. Eine weitere Million dämonischer Krieger wäre für Beleth überhaupt kein Problem. Oder zwei, drei oder gar zehn Millionen. All diese Szenarien waren so grauenvoll, dass man sie sich besser gar nicht erst vorstellte. Die einzige Hoffnung war ein schneller, gemeinsamer Sieg von Nacht- und Lichtelfen und danach das sofortige Schließen der Portale, ehe Beleth reagieren konnte. Sie zu schließen, sie mutwillig zu zerstören, sie für immer geschlossen zu halten. Die Nachtelfen würden auch ohne ihre dämonische Dienerschaft zurechtkommen. Der Preis für diese Dienste war inzwischen zu hoch.
Eine andere Überlegung, die auf der Hand lag, war, sich mit all seiner Macht gegen Blue zu stellen und die Lichtelfen rasch zu besiegen, ehe Beleth sich rührte. Aber wie hoch war in diesem Fall das Risiko? Er war sich ziemlich sicher, dass er die Lichtelfen letzten Endes ohnehin besiegen würde. Aber in kürzester Zeit? Unwahrscheinlich. Und selbst, wenn es ihm innerhalb von wenigen Tagen gelingen sollte, bestand immer noch die Gefahr, dass Beleth sofort angriff.
General Procles, der Oberste Heerführer, war bereits aufgetaucht, um ihn zu begrüßen, in Begleitung dreier seiner Helfer. Hairstreak wartete ab, bis er in Hörweite war, dann rief er: »Schicken Sie Ihre Männer fort, Graphium, das hier ist privat!« Der General entließ seine Helfer mit einem leichten Wedeln seiner Hand.
Procles war ein großer, dünner Mann, dessen Haltung für einen Soldaten ein wenig zu gebeugt wirkte. Er strahlte etwas Rücksichtsvolles aus, was seinem eisernen Charakter nicht entsprach.
»Ich nehme an, Eure Mission war nicht erfolgreich, Lordschaft?«, sagte er sofort.
Hairstreak zuckte mit den Schultern. »Meine Nichte will ihre Entscheidung nicht vor morgen früh bekannt geben. Vielleicht nicht einmal dann.«
»Wird sie ihre Truppen in der Zwischenzeit abziehen?«
Hairstreak schüttelte den Kopf.
»Weiß man, warum?« Procles war ein kluger Kopf. Was er mit seiner Frage eigentlich meinte, war: Gibt es Spielraum für Kompromisse oder Verhandlungen?
»Sie traut uns nicht«, seufzte Hairstreak. »Vielleicht haben wir ihr ja irgendeinen Anlass gegeben?«
Procles ging typischerweise nicht darauf ein. »Habt Ihr einen Plan B? Für den Fall, dass sie ablehnt?«
Hairstreak seufzte wieder, diesmal tiefer. »Einen Plan der Verzweiflung, Graphium. Deswegen habe ich die anderen weggeschickt. Ich möchte, dass Sie sich anhören, was mir durch den Kopf geht, und ich möchte wissen, was Sie davon halten. Und dann – es sei denn, Sie haben eine überzeugende bessere Idee – möchte ich, dass Sie unverzüglich handeln. Unverzüglich«, sagte er mit Nachdruck. »Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns bleibt, deswegen muss es schnell
Weitere Kostenlose Bücher