Der Elfenpakt
entschied sich Pyrgus, die Hände lieber ruhig zu halten und einfach abzuwarten. »Erfrischung gefällig?«, fragte Hairstreak kurz. »Ordel oder was in der Art? Oder lieber ein Getränk? Bist du inzwischen nicht alt genug für ein Bier?«
Pyrgus fand, dass er es war, doch er musste einen klaren Kopf behalten. Und essen wollte er lieber nichts. Es war fast schon Tradition, Ordel mit Gift zu reichen, um sich seiner Feinde zu entledigen. In den letzten fünfhundert Jahren hatten vier Purpurkaiser auf diese Weise das Zeitliche gesegnet. Auch Pyrgus war schon einmal beinahe vergiftet worden und verspürte kein Bedürfnis, diese Erfahrung zu wiederholen.
»Nein danke«, erwiderte er kühl.
Die beiden standen in einem Raum, der wie ein kleines Esszimmer wirkte. Im Kamin brannten ein paar Holzscheite, und ein leichter Waldgeruch durchwehte den Raum. Hairstreak stand mit dem Rücken zum Feuer, ein alter Trick, um zu einem dunklen Schatten zu werden und bedrohlich zu wirken. Sein Tonfall aber war ein anderer: »Vielleicht sollte ich mich erst mal entschuldigen, dich auf diese Art und Weise hergeholt zu haben.«
Es war die erste Entschuldigung, die Pyrgus von Lord Hairstreak je gehört hatte. Was kam wohl als Nächstes?
»Eigentlich wollte ich mit deiner Schwester sprechen«, sagte Hairstreak, »aber sie möchte mich nicht treffen, und um ehrlich zu sein: Es ist nicht so leicht, ihrer habhaft zu werden, wie bei dir.« Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die anscheinend als onkelhaftes Lächeln gemeint war. »Du solltest dich wirklich mehr um deine Sicherheit bemühen, Pyrgus.«
Pyrgus musterte ihn und sagte sich im Stillen, dass sein Onkel besser daran getan hätte, diesen Rat selber zu beherzigen. Drei Schritte, vier vielleicht, und das Halekmesser würde ihm im Bauch stecken. Wenn die Klinge nicht brach, wäre er damit erledigt gewesen. Lord Hairstreak wäre tot und das Elfenreich um ein Problem ärmer. Doch im Moment war es nichts als ein vages Gedankenspiel. Pyrgus wartete ab.
»Ich möchte jedenfalls, dass du deiner Schwester eine Nachricht übermittelst«, sagte Hairstreak.
Pyrgus fiel ein, dass seine Schwester sich inzwischen sicherlich fragte, wo er bloß abgeblieben war. Je länger er hier bei Lord Hairstreak blieb, desto besorgter würde sie sein. Besorgt und verärgert. Wenn Blue sich nur sorgte, machte ihm das sogar Spaß. Aber wenn sie sich ärgerte, konnte sie ganz schön ungemütlich werden.
. »Wie lautet die Nachricht?«, fragte Pyrgus ohne Umschweife.
»Dass die Nachtelfen Verhandlungen führen möchten«, sagte Hairstreak.
»Verhandlungen?«, fragte Blue. »Worüber?« »Über ein neues Miteinander«, sagte Pyrgus.
SECHZEHN
H enry schlug die Augen auf und stellte fest, dass er wieder auf der Straße stand. Es war nicht mehr dunkel, sondern helllichter Tag. Er blickte sich um und überlegte, was wohl passiert war. Seine letzte Erinnerung war, wie er sich spätabends nach dem Treffen mit Charlie auf den Nachhauseweg gemacht hatte. Er war auf den Seitenstreifen ausgewichen, um ein Auto vorbeifahren zu lassen, und plötzlich hatten die Scheinwerfer des Wagens so stark aufgeblendet, dass es taghell wurde. Das klang unmöglich, dennoch stand er hier im Licht. Aber wo genau war hier?
Wieder sah er sich um. Die Straße schien weit draußen auf dem Land zu sein. Sie schlängelte sich durch einen Flickenteppich kleinerer Felder, die ihm alles andere als bekannt vorkamen.
Die Sonne schien.
Wie war er nur hierher gekommen? Offensichtlich hatte er die Abzweigung nach Hause verpasst und war den ganzen Weg aufs Land zu Fuß gelaufen. Und das Unheimliche – um ehrlich zu sein, das Beängstigende – daran war, dass er nicht mehr wusste, was sich zwischen dem Moment des heranfahrenden Autos und jetzt ereignet hatte. Das verhieß nichts Gutes. Irgendwie musste sein Gehirn kaputt sein oder so. Vielleicht hatte der Wagen ihn angefahren?
Henry blieb stehen und befühlte sich vorsichtig am ganzen Körper. Nichts schien gebrochen zu sein, und er konnte auch keine Blutspuren an sich entdecken. Trotzdem, ein wirklich heftiger Stoß konnte sich ja auch aufs Gedächtnis auswirken. Er war sich ziemlich sicher, schon von Boxern gehört zu haben, die nach einem Schlag auf den Kopf ein wenig wunderlich geworden waren. Sie wurden nicht nur taumelig, sondern führten auch Selbstgespräche und litten zum Teil unter Gedächtnisverlust.
Das Komische war, dass ihm nichts wehtat. Weder am Kopf noch an
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