Der Elfenthron - Brennan, H: Elfenthron
Gaumenkontaktzündete den Zauber und sie begannen, erwartungsvoll zu knirschen und zu klappern. Er spießte das ganze Steak auf und erlaubte ihnen, ein Stück davon abzubeißen. Sie begannen, es in mundgerechte Bissen zu zerkleinern.
Als sich die Trinianer zurückzogen, sagte Chalkhill gelassen: »Der jüngere Bruder, Comma – oder besser gesagt, Halbbruder –, befindet sich auf einem heroischen Marineeinsatz. Madame Cardui leitet noch immer den Geheimdienst. Abgesehen davon passiert nicht viel. Oh, und Fogarty ist tot, aber das weißt du wahrscheinlich schon.«
Das Großartige daran, verrückt zu sein, war, dass die Leute dazu neigten, einen zu unterschätzen. In der guten alten Zeit war Chalkhill der mit dem Geld und Brimstone der mit dem Verstand gewesen. Chalkhill war immer noch der mit dem Geld, aber jetzt hielt er sich für viel schlauer als seinen alten Partner. Für viel schlauer, viel gefährlicher, viel talentierter, viel weitsichtiger, weiser, gewitzter, gescheiter, vernünftiger und scharfsinniger, ohne Zweifel. Deshalb dachte er auch, er könnte Brimstones Aufmerksamkeit ablenken, ihm lauter unbedeutende Neuigkeiten mitteilen und das eine wirklich wichtige Thema aussparen. Brimstone goss sich ein halbes Glas von dem Rotwein ein, fügte dann etwas von dem grünen hinzu und beobachtete, wie der Wein schlammig wurde.
»Haben Blue und Henry irgendwelche Kinder?«, fragte er unschuldig.
Chalkhill gelang es, zerstreut zu blicken. »Kinder?«, wiederholte er. »Bin nicht sicher, ob Elfen und Menschen sich miteinander vermehren können, oder?«
»Natürlich können sie das«, erklärte ihm Brimstone. »Sie zeugen Elfenmenschen.« Er lächelte fragend. »Haben Blue und Henry nicht ein Elfenmenschkind?«
Chalkhill runzelte die Stirn. »Ich glaube, ich habe da etwas von einem Elfenmenschen gehört. Bin aber nicht sicher, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Ich achte nicht sonderlich auf diese Dinge.«
Brimstone gelang es, sein Gesicht völlig ausdruckslos aussehen zu lassen. Chalkhill log, wenn er den Mund aufmachte. Selbst in der Anstalt hatte Brimstone von dem kaiserlichen Elfenmenschen gehört, einem Mädchen namens Culmella Chrysotenchia, das allgemein Mella genannt wurde. Es war völlig unglaubwürdig, dass jemand mit Chalkhills Interessen nicht absolut alles über sie wusste, was es zu erfahren gab. Warum tat er also so, als hätte er keine Ahnung? Die offenkundige Antwort war, dass er Brimstones Aufmerksamkeit von dieser Kreatur ablenken wollte. Aber warum würde er das wollen?
All das führte doch ganz offensichtlich zurück zu diesem Taschentuch, das jetzt in Brimstones Innentasche steckte. Als er daran geschnüffelt hatte, weil Chalkhill darauf bestanden hatte, hatte er sofort gewusst, dass es nie einem Elfen gehört hatte, weder einem Licht- noch einem Nachtelfen. Aber es schien auch keinem Trinianer, Halekzauberer, Endolg oder dem Mitglied irgendeiner anderen Rasse zu gehören, die das Elfenreich bewohnten. Er hatte kurz an einen Menschen gedacht, aber die Vibrationen hatten für Brimstones Empfinden da auch nicht so recht gepasst. Aber jetzt sprachen sie ja von
Elfenmenschen
… Er müsste es noch einmal testen, um ganz sicher zu sein, aber er würde seine neu gewonnene Freiheit verwetten, dass dieses Taschentuch einem Elfenmenschen gehörte; und zwar nicht irgendeinem Elfenmenschen, sondern genau dem, über den Chalkhill gerade partout nicht sprechen wollte.
Das war eine interessante Entwicklung. War das Gör etwa verschwunden? War Chalkhill angeheuert worden, um sie zu finden? Und was am wichtigsten war, wie konnte Brimstone aus dieser Situation für sich Kapital schlagen?
Er nahm einen schnellen Schluck von seinem schlammigen Wein, um das zerkleinerte Steak hinunterzuspülen, und stellte seine Zähne auf Automatik, während er seinen Gedanken erlaubte abzuschweifen. Chalkhill dachte, er müsse am Taschentuch riechen oder es zumindest in der Hand halten,um den Besitzer ausfindig zu machen, aber das war natürlich Unsinn. Er schloss die Augen, als würde ihn der Geschmack des Weins in Ekstase versetzen, lauschte für einen Augenblick den Gesprächen in der Küche, nickte knapp George zu, der an einem Tisch in der Ecke saß, und konzentrierte sich dann auf das Taschentuch in seiner Tasche.
Das geistige Bild öffnete sich wie eine Tür. Er spähte vorsichtig hindurch und entdeckte, dass er in eine dieser lächerlich kleinen Küchen schaute, die in der Gegenwelt so beliebt waren.
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