Der endlose Tod
stürmte vorwärts, löste mich ein wenig auf und stürzte meinen teilweise sichtbaren Körper über die Kante. Es war um einiges anders als der Sturz, den ich als Kind erlebt hatte, wenn ich in einen der Kessel eingetaucht war. Die Landung war viel weniger abrupt.
Der hohe Erdwall zu meiner Linken blockierte die unmittelbare Bedrohung durch das Licht; der andere Wall befand sich nicht sehr weit entfernt. Der Boden wäre der Sonne nur für eine kurze Zeit am Tag ausgesetzt. Ich konnte diese Situation verbessern, wenn ich – ja, dort, wo der Wall sich wölbte, eine kleine Nische baute, aber wie ein Toter dort zu liegen, mit nur einem Umhang als Bedeckung ... ich hatte Angst, dass Ash und seine Leute mich jagen und zufällig über mich stolpern würden, während ich hilflos dalag.
Der Schnee. Er war den gesamten Winter hier hineingefallen, tief und ungestört.
Vielleicht würde es nicht funktionieren. Oh, aber es musste funktionieren.
Ich löste mich vollkommen auf und sank unter seine unberührte Oberfläche, tauchte ein, bis ich die festere Grenze des gefrorenen Bodens darunter berührte, und hielt an. Und dann nahm ich wieder Form an, allmählich und sehr vorsichtig. Dies war alles andere als einfach, aber der harte Schnee gab meinem verzweifelten Schieben nach, und ich grub mir eine Art Tunnel. Ich drehte mich hierhin und dahin, sah aber nicht das geringste Anzeichen von Licht. Es würde reichen. Es würde reichen müssen, denn alle meine Möglichkeiten waren mir durch die Morgendämmerung genommen worden.
Dies war ein Grab. Kein anderes Wort konnte diese Art von Dunkelheit oder Stille beschreiben. Ich war mir des schweren Gewichtes des Schnees über mir durchaus bewusst. Hätte ich Luft zum Atmen gebraucht, wäre ich innerhalb kurzer Zeit erstickt. Doch so befand sich nur mein Verstand in Erstickungsgefahr, durch die Erinnerung meines ersten elenden Erwachens in dieses veränderte Leben.
Und dann ... hörten all meine Sorgen für diesen Tag auf.
KAPITEL 10
Ich erwachte in völliger Schwärze, unbeweglich von der Kälte und gerade desorientiert genug, um in meinem halb betäubten Zustand augenblicklich in Angst zu geraten. Da mein letzter Gedanke meinem verhassten Sarg auf dem Kirchhof gegolten hatte, setzte ich mich mental in einer – buchstäblich – blinden Panik heftig zur Wehr, versuchte instinktiv, mich aufzulösen, und ich tat es.
Stufenweise.
Stück für Stück löste ich mich auf, wobei ich spürte, dass zuerst die Extremitäten wie Hände und Füße an der Reihe waren, die sich bereits taub anfühlten, und dann verlor ich jede weitere Verbindung mit dem Tastsinn. Es kroch unter meine Haut und meine Muskeln, hin zu den Organen, zu den Knochen, bis ich schließlich körperlos war und sanft gegen die Seiten meines winzigen Gefängnisses stieß.
Es war ein scheußliches Gefühl.
Während dieser quälend langsamen Transformation hatte sich ein Teil meines Verstandes wieder erholt, und ich erinnerte mich, dass ich mich in einer Schneewehe vergraben hatte, um dem Tageslicht zu entkommen. Ich wusste ebenfalls, dass ich hier nicht länger bleiben wollte. Indes ich dies dachte, stieg ich langsam von der eisigen Zuflucht in die Höhe, bis ich mich davon befreit zu haben schien; dann versuchte ich, wieder einen festen Zustand anzunehmen.
Dies war der umgekehrte Prozess des Auflösens, nur langsamer, wobei ich kämpfte, um den Vorgang zu beschleunigen; jedoch machten meine Bemühungen kaum einen Unterschied. Für eine gewisse Zeit, als ich mich erst halbwegs materialisiert hatte, zwinkerte ich wie wild, um meine vernebelte Sicht zu klären.
Meine Augen waren nicht Opfer einer Verletzung geworden, aber die langsame Rückkehr ließ es so aussehen. Als die Sicht endlich klar war, wusste ich, dass ich in einem Stück existierte. Ich fühlte mich viel besser – bis meine Beine nachgaben und ich mit dem Gesicht im Schnee landete wie ein gefällter Baum.
Danach wurde ich vorsichtiger.
Ich war gründlich durchgefroren, so sehr, dass ich fast vergessen hatte, wie es sich anfühlte, warm zu sein. Meine Finger hatten eine ungesunde weiße Färbung angenommen und waren, obwohl ich sie bewegen konnte, viel zu steif, um mir viel Nutzen zu bringen. Übrigens waren alle meine Gelenke steif. Ich fühlte mich, als sei ich ausgehöhlt und von den Zehen aufwärts mit matschigem, halb gefrorenem Schlamm angefüllt worden.
Während ich versuchte, mich vom Boden abzustoßen, sann ich darüber nach, dass der Schlamm in
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