Der endlose Tod
ich mit zitternden Fingern sein zerfetztes Halstuch fort.
Was dann folgte, dauerte nicht lange. Glücklicherweise, denn es war außerordentlich unangenehm.
Abgesehen von dem Blut natürlich.
Ich drehte seinen Kopf zur Seite, um die Haut an seinem entblößten Hals zu straffen. Der Geruch, der hindurchdrang – der Geruch nach Blut – war stärker als der Gestank seiner ungewaschenen Haut und Kleidung. Meine Zähne waren ausgefahren, und mein Magen drehte sich innerlich voller Erwartung. Ich beugte mich über ihn und biss ihn hart, um durch die zähe Haut zu dringen und den ersten glorreichen Schluck des Lebens zu nehmen, als es herausströmte.
Einmal gab er einen würgenden Laut von sich und schluchzte kurz darauf, aber sonst hielt ich ihn so ruhig wie all die anderen Tiere, von denen ich mich in der Vergangenheit genährt hatte.
Sein Blut war anders. Es war irgendwie mit einem Makel behaftet, auf eine Art, die ich nicht erkennen konnte, aber ich mochte den Geschmack. Er war vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Rindfleisch und Rehfleisch. Beide sättigen, doch das eine schmeckt nach dem zahmen Leben auf der Farm, während das andere noch immer an der Wildnis des Waldes festhält.
Ich trank in tiefen Zügen und spürte, wie die Hitze mich von innen nach außen wärmte. Die verloren geglaubte Kraft kehrte zurück, und der Schmerz ... der furchtbare Schmerz von dem katastrophalen Schlag, den er mir verpasst hatte, begann allmählich zu verschwinden. Er war so beständig gewesen, dass es nun seltsam schien, ihn nicht mehr zu spüren.
Der Schmerz war verschwunden, der Hunger abgeschwächt... nein ... gestillt.
Ich hatte noch niemals so etwas Gutes zu mir genommen.
Als ich mich zurückzog und mir die Lippen leckte, stellte ich fest, dass mir in meinem Leben noch nie zuvor irgendeine Speise eine solch völlige Befriedigung verschafft hatte. Vielleicht lag dies daran, dass es menschliches Blut gewesen war, vielleicht daran, dass es von einem Feind stammte und durchdrungen war von seiner Furcht vor mir, denn Drummond zitterte vor Angst. Tränen strömten aus seinen nun weit geöffneten Augen über seine Wangen. Irgendwann war er aus meiner Beeinflussung aufgewacht und sich auf eine schreckliche Art dessen bewusst, was ihm geschah.
Ich nahm durch meinen offenen Mund einen tiefen Atemzug und entließ diesen als Gelächter. Es stieg auf, wurde von dem letzten Wind aufgefangen und in den immer heller werdenden Himmel gerissen.
Es ... war kein wohltuender Klang. Und als er erstarb, fühlte ich mich beschämt.
Aber warum? Ich hatte mich von einem Mann genährt, wie ich mich von jedem Tier genährt hätte, und die wilden Raubtiere der Welt fühlen keine Scham für das, was sie tun müssen. Sie töten, um zu leben; das ist ihre Natur, wie Gott sie ihnen gegeben hatte. Ich war vor meiner Veränderung nicht anders gewesen, da ich Fleisch von Tieren gegessen hatte, die getötet worden waren, um Leben zu schenken. Ich hatte den Triumph einer erfolgreichen Jagd gespürt, aber dies ... war nicht das Gleiche.
Und dann verstand ich.
Meine plötzliche Scham entstammte nicht meiner Veränderung, sondern der Tatsache, dass ich meine neuen Fähigkeiten benutzt hatte, um mich als brutaler Kerl aufzuführen. Ich hatte den Schrecken dieses Mannes genossen. Es gibt eine gemeine Ader von Grausamkeit dieser Art in uns allen, und ich hatte ihr nachgegeben.
Böse? Das war sehr böse von mir. Ich konnte mir vorstellen, was Vater dazu zu sagen hätte; er hatte sich zu dem Thema bereits klar genug ausgedrückt, als ich heranwuchs. Auch wenn ich nun kein Junge mehr war, der sich mit anderen auf Rapeljis Schulhof balgte, blieb das Prinzip doch das gleiche.
»Bitte ... töten Sie mich nich'«, flüsterte Drummond, seine Stimme klang gebrochen und ausgedörrt. Er war leichenblass, aber weit entfernt davon zu sterben. Noch.
In Ordnung. Er bat mich um sein zutiefst nutzloses, schändliches Leben. Bettelte den Mann um sein Leben an, den zu töten er ohne den kleinsten Gedanken und ohne das kleinste Bedauern bereit gewesen war.
»Bitte...«
Hundert scharfe Erwiderungen lagen mir auf der Zunge, kamen jedoch nicht heraus. Was für einen Sinn hätte das? Er war, was er war, ein Mörder und ein Dieb, und nichts, was ich zu ihm sagen würde, könnte ihn ändern.
Oder etwa doch?
Ich wusste, dass ich mich ohnehin vor ihm schützen musste.
Mit einem erneuten Lachen, dieses Mal kürzer und bitterer, sagte ich: »Sehen Sie mich an. Sehen Sie mich
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