Der endlose Tod
Schultern und zog ihn eng um mich, dankbar für die Gier der Brüder. Ich konnte mir keinen anderen Grund dafür vorstellen, dass sie uns gefolgt waren, als den, dass Seth meine Stiefel für sich hatte beanspruchen wollen, bevor seine Freunde sie – zusammen mit mir – in den Sund fallen ließen. Abel war vielleicht deshalb gekommen, weil er sie selbst noch einmal anprobieren wollte – entweder dies, oder er wollte die Exekution genießen.
Ich lief so schnell, wie ich konnte, da ich möglichst viel Raum zwischen mich und die wachsende Menge von Leuten hinter mir bringen wollte. Ashs Stimme übertönte den Wind, erfüllt von Ärger. Ich blickte einmal zurück und sah, dass er auf seinen Beinen stand und mir mit seiner Faust drohte. Ohne jeden Zweifel war er ein gefährlicher Mann, aber auch dumm und unglaublich töricht, denn ich war noch immer im Besitz der Pistole.
Ein perverser Einfall bemächtigte sich meiner. Ich blieb stehen und drehte mich um, den Arm in bester Duellmanier ausgestreckt, meine Pose und Haltung waren unmissverständlich. Er erstarrte, gefangen zwischen Schrecken und Überraschung. Ich drückte ab und fühlte, wie der Rückstoß in meinen Arm fuhr. Es gab ein lautes Dröhnen, und mit Befriedigung sah ich, dass Ash und die anderen sich entsetzt duckten. Sie waren nicht verletzt, denn ich hatte knapp über ihre Köpfe gezielt, doch wenn sie endlich genügend Mut aufbrächten, um einen weiteren Blick zu riskieren, wären sie nicht mehr in der Lage, mich zu sehen. Diesen Augenblick nutzte ich, um mich aufzulösen.
Verspätet kam mir der Gedanke, dass sie meiner Spur folgen würden. Wenn sie die weggeworfene Pistole und meine Spuren, die mitten auf dem Feld endeten, fänden, würden sie glauben, dass ich mich in Luft aufgelöst habe, was ich tatsächlich getan hatte. Nun, es war jetzt zu spät. Sie sollten es selbst herausfinden und verdammt sein.
Ich war froh, dass der Wind aufgehört hatte. Es war noch windig genug, um mir eine Richtung zu weisen. Ich musste mich gegen den Wind richten, was ich mit all meiner Kraft und all meinem Willen tat. Ich orientierte mich in Richtung Süden und dann nach Westen, nach Hause, auch wenn ich nicht die geringste Möglichkeit hatte, es rechtzeitig zu erreichen.
Panik? Sehr wahrscheinlich.
Außerdem gab es noch die Hoffnung, dass ich, sobald ich genügend Abstand zwischen mich und diese Bande von patriotischen Halsabschneidern gebracht hätte, mich materialisieren, meine Position feststellen und für den Tag Schutz suchen könnte. Alles, was ich brauchte, war eine Hütte oder eine Scheune, irgendeinen Ort, an dem ich mich vor der nahenden Sonne verstecken konnte.
Ich raste so lange, wie ich es wagte, durch die Lüfte vorwärts, dann verwandelte ich mich wieder. Das Licht blendete mich fast. Die schneebedeckten Felder reflektierten und verstärkten es. Ich beschattete meine Augen und suchte überall in der Umgebung nach Schutz. Nichts, absolut nichts bot sich an.
Da ich irgendetwas Besseres tun wollte, als herumzustehen und vor Angst zu bibbern, löste ich mich wieder auf und strebte weiter vorwärts. In der Ferne waren einige Bäume zu sehen, die weit auseinander standen und keine Blätter trugen. Wahrscheinlich nutzlos. Ich bewegte mich schneller und schneller voran, bis das, was mir von meinen Sinnen in meiner jetzigen Form blieb, mich warnte, dass ich mein Ziel erreicht hatte.
Die nächste Verwandlung war schwieriger. Und das Licht war noch schlimmer. Meine Furcht erstickte mich fast. Die Bäume waren nutzlos. Selbst im Hochsommer, wenn sie Blätter besaßen, wäre ihr Schatten nicht ausreichend gewesen. Sie standen zu weit auseinander. Doch ich hatte keine andere Möglichkeit. Vielleicht würde mein Umhang einigen Nutzen bringen ...
Da bemerkte ich, dass die Bäume, die weiter entfernt standen, auf seltsame Weise kürzer aussahen. Meine Sicht wurde schlechter, aber ich war gerade noch in der Lage, wahrzunehmen, dass sie in Wirklichkeit nicht kurz waren, sondern dass es sich bei ihnen um die obersten Äste von weiteren Bäumen handelte, welche auf einem Boden wuchsen, der wesentlich tiefer lag.
Hier und da war die Insel durchlöchert mit Vertiefungen, die wir aufgrund ihrer allgemeinen Form Kessel nannten. Rapelji sagte, dass sie in alter Zeit von Gletschern in die Erde gegraben worden waren. Einige waren klein, andere viel größer. Manche besaßen auch Namen. Ich kannte den Namen dieses Kessels nicht, aber ich nannte ihn sofort »Hafen«.
Ich
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