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Der endlose Tod

Der endlose Tod

Titel: Der endlose Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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zu. Es war ihm sehr wohl bewusst, wie die Dinge in dieser Familie standen, dass Vater, Elizabeth und ich selbst eng zusammenhielten, um uns gegenseitig gegen Mutters schlimme Reizbarkeit zu unterstützen. Als Arzt wurde er oft gerufen, um Mutters schwerere Anfälle zu behandeln, aber als Speichel leckender, finanziell abhängiger Angehöriger des Haushaltes musste er wie seine Schwester, die sorgfältig darauf achtete, nichts zu bemerken, vorgeben, dass alles in Ordnung sei. Das ließ ihn oft hilflos inmitten des ganzen Schlamassels umhertreiben, und er tat mir Leid deswegen.
    Er hatte erkannt, dass ich ihn mit meiner Frage nicht verspottete. Eine solche Ironie kam oft genug von der »lieben Deborah«, so dass ich ihm seinen kurzen Zweifel nicht übel nahm. Er schüttelte den Kopf und lächelte schüchtern. »Ich glaube nicht. Heute Abend ist mir nicht danach zumute. Guten Abend, Mr.
    Barrett.« Seine Schritte waren langsam, als er den Raum verließ, die Schultern ein wenig eingesunken. Manchmal kann Mitgefühl eine ebenso schwere Bürde sein wie Verachtung.
    Ich legte mein Buch beiseite und knirschte einige Minuten lang mit den Zähnen, womit ich überhaupt nichts erreichte. Das hatte ich in letzter Zeit zur Genüge getan: nichts.
    Es war doch noch nötig gewesen, dass ich mit dem Küchenpersonal »sprach«, damit es keine Notiz von mir nehmen würde, wenn ich den Tag über in einer abgelegenen Ecke des Kellers schlief. Dies war ein sehr ungemütlicher Zufluchtsort, verglichen mit meinem ausgezeichneten Bett oben, aber sicher vor Feuer, und diskret. Ich ruhte dort, auf der festgetretenen Erde, besser als ein König. Nicht länger das Opfer der Zerstreuung durch ständige Müdigkeit, war ich nun erpicht darauf, etwas zu tun.
    Meine Aktivität am sehr frühen Morgen, den Himmel über unseren Ländereien zu erkunden, hatte noch nicht an Reiz verloren, aber es lag eine gewisse Leere in solch einsamem Streben. Das Erlebnis mit einem Gefährten oder einer Gefährtin zu teilen, wäre ein Segen gewesen, aber dies war absolut unmöglich, dachte ich. Mein Talent, mich aufzulösen, war nur auf mich selbst beschränkt. Vor einigen Nächten hatte Elizabeth mutig eingewilligt, an einem Experiment teilzunehmen, um zu sehen, ob sie in der Lage sei, mit mir zu verschwinden. Sie war nicht gerade begeistert gewesen, hatte aber die mangelnde Begeisterung mit vorsichtiger Neugierde ausgeglichen. Ich hatte meinen Arm um sie gelegt und mich allmählich aufgelöst, aber sie war fest wie eh und je geblieben und hatte lediglich vor plötzlicher Kälte gezittert.
    »Du scheinst die gesamte Wärme aus der Luft zu ziehen, wenn du das tust«, hatte sie nach meiner enttäuschten Rückkehr bemerkt.
    »Ich frage mich, warum das so ist. Vielleicht sollte ich Rapelji danach befragen.«
    »Das könntest du versuchen, aber lass' das bloß nicht Rachel oder Sarah hören, sonst wird es bis Mittag die gesamte Insel wissen.«
    »Es war nur eine scherzhafte Spekulation, Schwester. Was Rapelji und seine Haushälterinnen nicht wissen, kann mir auch nichts anhaben. Ich werde meine Fragen für mich behalten.«
    Allein. Ich war es leid, allein zu sein. Ich war es leid, im Haus zu sein. Alle Ritte, die ich mit Rolly unternahm, waren auf unser unmittelbares Grundstück begrenzt, da es gefährlich war, sich nach Einbruch der Dunkelheit weiter hinaus zu begeben. Ich fürchtete weniger um meine eigene Sicherheit, vielmehr um die meines Pferdes. Rolly war mir zu lieb, als dass ich ihn durch eine verirrte Musketenkugel oder an einen gierigen Soldaten verlieren wollte, der nur darauf wartete, irgendein vierbeiniges Beutegut zu konfiszieren.
    Nun, wenn ich mich schon nicht mit Reiten zerstreuen konnte, so konnte ich doch wenigstens wandern, und ich hatte im Sinn, heute Nacht ein ganzes Stück zu wandern. Nach einem kurzen Abstecher in mein Zimmer, um mich mit Hut, Stock und etwas Geld auszustatten, entkam ich durch die Seitentür. Der einzige Mensch, dem ich begegnete, war Archimedes, Jerichos Vater und der Kammerdiener meines Vaters. Da er ein von Natur aus schweigsamer Mann war, hob er nur eine Augenbraue, als er mich das Haus verlassen sah. Ich nickte ihm zu und erzählte ihm, dass ich einen Spaziergang machen wolle, falls jemand nach mir fragte. Seine Stirn zuckte, und er kniff die Lippen zusammen. Da war mir klar, dass Vater sehr bald von meinem nächtlichen Spaziergang erfahren würde. Das spielte kaum eine Rolle. Vater wusste, dass ich nicht sehr gefährdet

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