Der endlose Tod
Knall, und meine arme Schwester wurde einfach zu Boden geschleudert. Dies geschah so schnell, dass ich in den ersten Sekunden nicht verstand, was vorging, bis ich Elizabeths schluchzendes, schmerzerfülltes Keuchen hörte, und dann lief ich auf sie zu, die Arme ausgebreitet, um ihr zu helfen.
»Ich habe dich nicht nach Cambridge geschickt, damit du dein Leben verschläfst –«, fuhr Mutter fort, als sei nichts geschehen.
»Mrs. Barrett!«, schrie Beldon von seiner Ecke aus, wo er unbeholfen und zutiefst schockiert stand.
Aber bevor ich zu Elizabeth gelangen konnte, stand sie wieder auf, schnell wie der Blitz. Sie hatte eine rote Stelle auf der Wange, welche auf seltsame Weise der von Mrs. Montagu ähnelte; doch damit waren die Gemeinsamkeiten auch bereits erschöpft. Elizabeths Gesichtsausdruck, um nicht zu sagen, ihr gesamter Körper, war erfüllt mit blinder Raserei. Während Mutter immer noch schnatterte und mich mit weiteren Vorwürfen überhäufte, stürzte sich Elizabeth auf sie.
Mutters Redefluss brach abrupt ab und wurde ersetzt durch einen Überraschungsschrei, gefolgt von Knallen, Geheul und dumpfen Schlägen. Die Röcke flogen, und Stoff zerriss, als sie sich auf dem Boden wälzten und sich gegenseitig zerfetzten wie die Katzen.
»Du Hexe!«, schrie meine Schwester, die einen festen Schlag nach dem anderen austeilte. »Hexe, Hexe, Hexe!«
Beldon kam mir schnell zu Hilfe, aber es war schwer, einen Anfang zu finden. Schließlich gelang uns beiden ein Glücksgriff, und wir rissen sie auseinander. Ich hatte Mutter erwischt, und er zog Elizabeth hinaus in die Halle, vielleicht in der Absicht, sie in ihr Zimmer zu bringen. Er würde Hilfe brauchen, denn Elizabeth fluchte und schrie noch immer und wehrte sich gegen ihn, ihr Gesicht verzerrt, so dass sie eine unangenehme Ähnlichkeit mit Mutter hatte.
Diese Dame lag stöhnend in meinen Armen und war angeschlagen, da sie in dem kurzen Kampf die meisten Schäden davongetragen hatte. Elizabeth hatte ihre gesamte Kraft, die sie aus ihrer Wut bezog, aufgewendet. Mutters Gesicht war blutüberströmt, ihr Haar völlig in Unordnung, und ihr Kleid hing in Fetzen herunter. Jeder Fremde, der sie in dieser Lage gesehen hätte, wäre sofort voller Mitgefühl gewesen und hätte ihr Beistand angeboten. Aber ich war kein Fremder. Ich war ihr sehr ungeliebter, wenn nicht sogar verachteter Sohn und hatte nicht die geringste Ahnung, was ich mit ihr machen sollte.
Jericho war während der ganzen Zeit wie angewurzelt an seinem Platz stehen geblieben und wirkte nun so, als fühle er sich zerrissen zwischen der Entscheidung, ob er Elizabeth folgen oder bei mir bleiben solle. Außerdem war ihm etwas aufgefallen.
»Mr. Jonathan ... Ihre Kleidung ...«
Mein Umhang war aufgegangen und hatte die blutige Bescherung enthüllt, die er so praktisch verborgen hatte. »O Gott.« Ich zog die beiden Enden zusammen, um sie wieder zu verhüllen.
»Aber, Sir –?«
»Jericho, ich verspreche dir, dass ich unverletzt bin, aber bitte frage jetzt nicht danach. Beldon kann dir erzählen ...«
Beldon kehrte zurück, bevor ich die Dinge noch mehr verwirren konnte. Mit ihm kamen unsere Gäste und Bediensteten, die von der Unruhe herbeigelockt worden waren. Mein Zimmer und die Halle erschallten vor all den Fragen; alle riefen durcheinander, was es für sie unmöglich machte, irgendwelche Antworten zu hören, hätten wir welche geben wollen. Dann brüllte Beldon nach Ruhe, schob die Nächststehenden beiseite und schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Das war die unhöflichste Tat, die ich ihn jemals hatte ausführen sehen.
»Dort hinauf«, sagte er brüsk, kehrte zu seiner Patientin zurück und kniete sich neben sie.
Wir hoben Mutter auf mein Bett. Beldon hatte seine Arzneitasche geöffnet und griff nach der Laudanumflasche. Er maß eine Dosis ab und bereitete sie vor – schnell, da er darin viel Übung hatte – und brachte Mutter dazu, es zu trinken. Dann untersuchte er ihre anderen Verletzungen. »Es wird ihr bald wieder gut gehen«, stellte er dumpf fest. Diese Neuigkeit akzeptierte ich ohne die geringste Gefühlsaufwallung. Ich war innerlich tot. Sie bedeutete mir nichts. Höchstens ein Ärgernis, wie ein Staubkorn im Auge, das von einigen Tränen fortgewaschen wird und dann vergessen ist. Abgesehen von der Tatsache, dass ich keine Tränen in mir hatte. Zumindest nicht für sie.
»Es tut mir sehr Leid, Mr. Barrett«, murmelte er.
»Ich danke Ihnen.« Mir waren auch andere Erwiderungen in
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