Der endlose Tod
Nora für ihn finden können. Sie war regelmäßig bei Tony Warburton zu Gast, weißt du. Oliver denkt, dass sie ihr vielleicht meinen Brief übergeben können.«
»Das ist zumindest etwas.«
»Ja. Noch mehr Wartezeit für mich. Vielleicht monatelang.«
»Das tut mir Leid.«
Ich zuckte die Achseln. »Es spielt jetzt kaum noch eine Rolle. Die meisten Fragen, die ich Nora gestellt habe, haben sich nach all der Zeit von selbst beantwortet.«
»Aber einige nicht.«
»Das ist wahr, aber es gibt nichts, was ich daran wirklich ändern kann. Dennoch danke ich dir, dass du mir den Brief gebracht hast. Welche anderen Neuigkeiten gibt es heute Abend?«
»Nicht viele. Es war bloß ein weiterer düsterer Wintertag.«
»Hat Lord James Vater nach Hempstead begleitet?« Gesten Abend hatte er seiner lebhaften Neugier für Vaters Arbeit Ausdruck verliehen und eine Einladung erhalten, mitzukommen und sich das Rechtswesen anzusehen.
»Gleich nach dem Frühstück.«
»Der Glückliche.« Ich hätte derjenige sein sollen, der Vater begleitete, da ich zu diesem Zwecke ein hartes Studium absolviert hatte, aber mein Zustand schloss dies entschieden aus. Zu reisen war kein Problem, solange es nachts stattfand, aber ich würde niemals wieder einen Gerichtssaal von innen sehen, noch würde ich die Möglichkeit erhalten, als Rechtsanwalt zu praktizieren.
Elizabeth wusste, was in meinem Kopf vorging, da ich mich im Laufe der Monate oft genug darüber beklagt hatte. »Vater hat einen riesigen Stoß Papiere für dich in der Bibliothek hinterlassen.«
Noch mehr Kopierarbeiten, dachte ich. »Dies ist Büroarbeit, keine wirkliche Anwaltsarbeit. Ich bin wie ein Künstler, dem es nicht erlaubt ist, zu malen. Das Bedürfnis und das Talent sind gegeben, aber die Ausführung ...« Ich bewegte meine Hand in einer Wegwerfgeste hin und her.
»Wir sind in ähnlichen Situationen, also verstehe ich, was du meinst.«
»Inwiefern ähneln sie sich? Du kannst wach bleiben, während die Sonne am Himmel steht.«
»Und was tun? Den Haushalt erledigen? Handarbeiten? Klatschen und tratschen?«
»Du vermisst ihn, nicht wahr?«, fragte ich, als mir plötzlich eine Inspiration kam, die verbunden war mit dem Bedürfnis, das Thema zu wechseln.
Dies ließ sie verstummen, als wir die Küche verließen und die Treppe erklommen. Sie fragte nicht, auf wen ich mich bezog, das war nicht nötig. Auf einem Teil der Strecke sah ich die Röte in Elizabeths Gesicht. Sie öffnete ihren Mund mehrmals, um zu antworten, schloss ihn jedoch jedes Mal wieder, wenn sie mein Grinsen sah. Das Thema Lord James Norwood war für sie ein heikles.
»Und er ist nur einen einzigen Tag fort?«, fügte ich hinzu.
Einen Augenblick lang sah sie so aus, als würde sie gleich explodieren, aber sie überlegte es sich plötzlich anders. »Ja«, kam ihr reuiges Eingeständnis.
»Den ganzen verdammten Tag lang, und vielleicht auch morgen noch.«
»Die Zeit wird sehr schnell verstreichen.«
»Das ist eine Ewigkeit«, murrte sie.
»Weiß er, was du empfindest?« Ich blieb an der Tür zu meinem Zimmer stehen.
»Manchmal denke ich, er weiß es. Ich wünschte, ich wüsste, was er für mich empfindet.«
»Kannst du das nicht erkennen?«
Sie sah vollkommen hilflos aus. »Nein.«
»Ich könnte mit ihm reden ...«
»Nein! Wage es nicht!«
»Aber wenn es deine Ungewissheit beendet... «
»Nein! Ich untersage es dir strengstens, Jonathan! Tu es nicht! Bitte versprich mir, dass du es nicht tun wirst!«
»In Ordnung, in Ordnung. Ich wollte dir ja bloß helfen.«
»Ich werde mir schon selbst helfen, vielen Dank. Versprichst du mir, dass du ihm nichts sagen wirst?«
»Ich verspreche es, aber was wird sein, wenn du deine Meinung änderst...?« Mit hochgezogenen Augenbrauen, aufgerissenen Augen und gebleckten Zähnen drohte sie mir in gespielter Wut mit den Fäusten. Ich gab vor, mich vor ihr wegzuducken, und suchte lachend Zuflucht in meinem Zimmer.
In den letzten Wochen war das Leben im Hause einfacher geworden, wie es durch unser Spiel und das gemeinsame Gelächter deutlich wurde. Entgegen all meiner Erwartungen schien es, als habe Mutter den Kampf, der zwischen ihr und Elizabeth stattgefunden hatte, doch nicht bequemerweise »vergessen«. Sie sprach niemals darüber, aber seit jener Zeit war ihr Verhalten uns gegenüber, und insbesondere Elizabeth gegenüber, deutlich verändert. Bisher hatte es keine Vorwürfe, kein Schimpfen, keine feindliche Aufmerksamkeit und keinen Hinweis auf unsere
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