Der endlose Tod
Elizabeth.
»Ein wenig Schlaf wird das kurieren.«
»Und was ist mit ihr?«
Mutter. »Beldon ist bei ihr. Ich nehme an, sie wird sich wieder erholen. Wenn es sich so abspielt wie die anderen Male, wird sie sich an nichts erinnern.«
»Wie schön für sie.«
»Ich finde, das ist zu bedauern.«
Sie setzte sich auf und starrte mich an. »Wie bitte?«
»Es ist sehr zu bedauern, wenn sie sich nicht erinnert.«
»Warum meinst du das?«
»Wenn sie sich erinnerte, dann würde sie es sich vielleicht zweimal überlegen, bevor sie wieder ihre Selbstbeherrschung verliert. Das Traurige ist, dass sie sich wahrscheinlich nicht erinnern wird. Also musst du mit ihr vorsichtig umgehen. Das müssen wir alle.«
»Das ist nicht gerecht.«
»Nein.«
Ein anderer Gedanke kam ihr in den Sinn. »Was ist mit Vater? O Gott, was soll ich ihm erzählen?«
»Die Wahrheit, wie immer.«
»Wie kann ich ihm nur ins Gesicht sehen?«
»Ich glaube, er wird ebenso besorgt um dich sein, wie ich es jetzt bin. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Denke einfach daran, wie sehr er dich liebt. Nichts, was du getan hast, wird dies jemals in Gefahr bringen.«
Weitere Proteste, weitere Zusicherungen von meiner Seite. Doch schließlich beruhigte sie sich, und ich rief Sheba herein, damit sie ihr half, sich zum Schlafengehen fertig zu machen. Ich verließ leise das Zimmer und war überrascht, die Halle leer vorzufinden. Beldon musste die Dinge in die Hand genommen und in Ordnung gebracht haben, Gott segne ihn.
In meinem Zimmer war ebenfalls wieder Ordnung eingekehrt: Mutter war verschwunden, die Überdecke auf meinem Bett wieder geglättet und zurückgeschlagen, damit ich mich hinlegen konnte, was allerdings nur als Täuschung gedacht war. Ich würde, wie neuerdings immer, im Keller schlafen.
Ich zog meine Kleidung aus. Vielleicht konnte Jericho jemanden unter den Bediensteten finden, der in der Lage war, die Schnitte und Risse zu reparieren. Ich konnte die Sachen jedoch auch eines Nachts zu Molly Audy bringen. Der Gedanke an sie wärmte mich, so sehr, dass ich sogar anfing zu lächeln. Sie und ich waren in den letzten Monaten sehr gute Freunde geworden.
Aber das Lächeln verschwand, als andere Gedanken Mollys angenehme Gesellschaft aus meinem Bewusstsein drängten. Arme Elizabeth. Ich Armer. Arme Familie Barrett.
Ich wusch mir das Gesicht und die Hände. Mehrmals. Was ich wirklich wollte, war ein kochend heißes Bad, aber das war zu einer solch späten Stunde undurchführbar. Schade.
Alles war so absurd. Ich hatte versucht, sie zu trösten, weil sie die Kontrolle verloren hatte, obwohl ich selbst viel mehr Schuld auf mich geladen hatte, indem ich die Kontrolle über mich verloren hatte. Absurd.
Und heuchlerisch, zumindest, soweit es meine Schwester betraf.
Denn tief in meinem Herzen war ich sogar froh, dass Elizabeth es getan hatte.
KAPITEL 6
Januar 1777
»Ein Brief für dich, Jonathan ... ich glaube, er kommt von Vetter Oliver!«
Ich war kaum aus meiner Kellerzuflucht gekommen, als Elizabeth schon auf mich zusprang und ein Päckchen schwenkte. Normalerweise wartete sie für ihre Begrüßung einen späteren Zeitpunkt ab, wenn ich eine Möglichkeit gehabt hatte, die Kleidung für den Abend zu wechseln. Dann setzten wir uns in die Bibliothek, und sie erzählte mir die Ereignisse des Tages. Ich war verblüfft über diese Neuigkeiten, mit denen sie mich überfiel, erholte mich aber augenblicklich wieder und nahm den Brief begierig entgegen, als sie ihn mir in die Hände schob. Die Adresse war in Olivers unregelmäßiger Krakelschrift geschrieben, und ich verschwendete keine Zeit, sondern riss ihn sogleich auf.
»Was schreibt er?«
Ich überflog die ersten Zeilen. »Es geht ihm gut.«
»Und was ist mit Nora?«
»Er hat sie bisher noch nicht erwähnt. Gott, was für eine Handschrift der Mann hat! Ich kann sie kaum entziffern ... da steht ihr Name, lass sehen ...«
Ich las weiter, und mir wurde das Herz schwer. Dies war für Elizabeth leicht zu erkennen, und sie bestand darauf, dass ich mein neu gewonnenes Wissen mit ihr teile.
»Nora ist nicht mehr in England«, teilte ich ihr trübsinnig mit. »Sie ist abgereist, und Oliver weiß nicht genau, wohin.«
»Abgereist? Was ist passiert?«
Ich las ein wenig weiter und schüttelte den Kopf. »Oliver glaubt, sie sei vielleicht der Familie Warburton irgendwann im letzten November nach Italien gefolgt. Er weiß, wo diese sich aufhält, also hat er an sie geschrieben und sie gefragt, ob sie
Weitere Kostenlose Bücher