Der endlose Tod
ihren eigenen starken Reiz, entweder um korrumpiert zu werden oder um anerkannt zu werden. Ich wollte sie anerkennen.
Ich setzte mich auf einen Sessel, der ihr gegenüberstand. »Was auch immer uns in den Sinn kommt. Wie gefällt es dir zum Beispiel, hier zu leben?«
»Oh, es ist sehr schön. Viel besser als in Philadelphia. Wenn Vetter Roger wüsste, wie nett es hier ist, hätte er seine Politik vergessen und wäre mit uns gekommen. Deine Mutter war äußerst großzügig, uns alle so aufzunehmen, wie sie es getan hat.«
Das war fast genau das, was Beldon gesagt hatte, auch wenn er die Großzügigkeit Vater zugeschrieben hatte. Die Ähnlichkeit reichte aus, um eine Gedankenkette in mir auszulösen. Fragen, die halb fertig an den Rändern meines Bewusstseins herumgegeistert waren, erblühten nun.
»Was denkst du über Mutter?«
Sie runzelte wieder die Stirn. »Sie ist eine großartige Dame, aber ... nervös, denke ich.«
Die Erinnerung an ihre erste Nacht hier und die heftige Auseinandersetzung zwischen Mutter und Elizabeth musste vor ihrem geistigen Auge auftauchen.
Wie Beldon entschied sie sich lieber für Diplomatie als für Ehrlichkeit.
»Ja, sie ist sehr nervös«, stimmte ich zu und hoffte, damit dafür zu sorgen, dass sie sich wohl fühlte. »Ich glaube, du wirst verstehen, dass ich sie nicht sehr gut kenne. Sie lebte den größten Teil meines Lebens weit weg von daheim, verstehst du.«
»Das ist sehr traurig.«
Eher ein Segen, dachte ich. »Und wegen ihres nervösen Wesens ist es auch nicht sehr leicht, sie kennen zu lernen. Ich dachte, dass du vielleicht in der Lage seiest, mir mehr über sie zu erzählen.«
»Ich könnte es versuchen.« Sie ließ keine große Begeisterung für diese Aufgabe erkennen.
»War Mutter sehr nervös, als sie in Philadelphia lebte?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
Wahrscheinlich nicht. Ohne ihre Familie, die sie ärgerte und – Familie – diese merkwürdigen Dinge, die sie gemurmelt hatte, als ich sie geweckt hatte ...
»Was weißt du über sie als Mädchen?«
»Bevor sie heiratete, meinst du? Oh, kaum etwas. Sie spricht oft stolz von ihrem Vater, Richter Fonteyn, und erzählt Neuigkeiten von ihrer Schwester in England, aber das ist alles. Es ist ziemlich merkwürdig, wenn man darüber nachdenkt. Die meisten Leute mögen es, ab und zu Geschichten über sich selbst zu erzählen, Ereignisse, die in ihrer Kindheit geschehen sind, aber ...«
»Mutter tut dies niemals?« Als sie dies erwähnte, wusste ich, dass es der Wahrheit entsprach. In ihrer Zeit bei uns war sie seltsam zurückhaltend, was ihre Vergangenheit betraf.
»Ja. Man könnte denken, sie sei niemals ein kleines Mädchen gewesen.«
»Ich frage mich, warum sie so schweigsam ist. Hat dein Vater jemals über seinen Bruder gesprochen?« Wenn ich keine Informationen über meine Mutter bekommen konnte, dann würde ich mich mit Wissen über meinen Großvater zufrieden geben, auch wenn es eine ziemlich umständliche Art zu sein schien, dies auf dem Weg über die Tochter meines Großonkels herauszufinden.
»Er sprach über sein Leben in der Schule, die kleinen Abenteuer, die er dort erlebte, aber er sprach niemals über sein Leben zu Hause – wie seltsam.«
»Vielleicht war das Leben sehr schwer für sie alle.«
»Oh, aber die Fonteyns sind sehr reich.«
»Ich meinte, dass ...«
»Oh, ich verstehe, dass sie streng erzogen wurden? Ja ... nun, da du mich darauf gebracht hast, erinnere ich mich, dass Vater sagte, er war froh, als er das Haus verlassen und zur Schule gehen konnte, was einen großen Unterschied zu den anderen kleinen Jungen bedeutete.« Plötzlich zitterte sie ein wenig.
»Er sprach also niemals über seinen ältesten Bruder?«
»Nein ...«
»Was dann?«
Sie zuckte mit den Schultern und erhob dabei die Hände. »Ich bin nicht sicher, aber ich bekam den Eindruck, als ob Vater ihn nicht besonders mochte.
Seinen eigenen Bruder. Das ist schrecklich, nicht wahr?«
»Sehr.« Aber nicht sehr überraschend. Mein Vater mochte diesen Mann ebenfalls nicht, und ausgehend von den spärlichen Informationen, die er mir über ihn mitgeteilt hatte, würde ich mich wahrscheinlich seiner Meinung anschließen. Mein Großvater war ein höchst unangenehmer Mann gewesen, laut Vater ein launenhafter Tyrann, der häufig Wutanfälle bekam, was mit Sicherheit Mutters Verhalten uns gegenüber erklärte, da sie dies als gutes Beispiel zu nehmen schien, wie man seine Familie auf die richtige Art behandelte. Das war das,
Weitere Kostenlose Bücher