Der Engel Der Kurie
theatralisch aus, aber nun schöpfte sie daraus Mut. Cesare steckte Daumen und Zeigefinger der rechten Hand in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus; sofort kamen zwei zerlumpte Knaben und fragten, was geschehen sei. Cesare klärte sie kurz über die bevorstehende Mission auf, die beiden grinsten und schlossen sich ihnen an. Eilig gingen sie zum Fluß, überquerten die Brücke und suchten die Stelle auf, wo Serena den Stoff gefunden hatte. Cesare beugte sich über die Brüstung und blickte nach unten; der schmale Uferstreifen war voller Büsche. Der Junge stutzte, dann deutete er seitlich auf einen zusammengedrückten Strauch.
»Seht ihr?« rief er. »Da hat etwas gelegen!« Er gab den anderen ein Zeichen, ihm zu folgen.
Sie rannten zur Brücke zurück und stiegen dort die Stufen zum Tiber hinunter, dann folgten sie einem lehmigen Pfad am Ufer entlang und standen bald vor einem Haselbusch, an dem etliche Zweige abgeknickt waren.
»Sieht wirklich so aus«, bemerkte einer der beiden Burschen, »als hätte da jemand drin gelegen.«
Cesare nickte. »Da könnte jemand von oben gestürzt oder heruntergeworfen worden sein. Laßt uns die Gegend absuchen.«
Bald fanden sie am Fuße der Mauer noch ein Stück weißen Stoff und eine schmucklose Ledersandale. Serena schrie erschreckt auf. »Das ist Bibianas Sandale.«
»Verdammt«, preßte Cesare zwischen geschlossenen Lippen hervor und ergriff Serenas Hand. Ihr standen Tränen in den Augen. Es hätte des Ausrufes »Blut! Hier ist Blut am Boden!« des Jungen, der unter den Haselstrauch gekrochen war, nicht mehr bedurft. Serena fühlte, daß ihre schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren, und begann hemmungslos zu weinen.
Cesare nahm sie scheu in die Arme, bettete ihren Kopf an seine Brust und strich über ihr Haar. Die beiden anderen Knaben blickten betreten zu Boden. Hinter ihnen rauschte der Tiber; sein Wasser war hellbraun und schien zu brodeln; hier gab es gefährliche Strudel. Ein fahler Himmel war an manchen Stellen blau, und ab und an lugte die Sonne hervor. Wahrscheinlich würde es noch einen herrlichen Nachmittag geben.
»Ich will genau wissen, was geschah«, schluchzte Serena. »Ich will die Wahrheit herausfinden.« Sie sah einem nach dem anderen in die Augen.
Cesare erwiderte ihren Blick und nickte. »Wir werden dir helfen.«
Zwei Stunden hatten sie sich im Borgo herumgetrieben und jeden, den sie rund um die Engelsburg trafen, gefragt, ob er in den letzten vierundzwanzig Stunden etwas Verdächtiges wahrgenommen habe. Zunächst hatten sie kein Glück. Als sie ihre Nachforschungen schon einstellen wollten, trafen sie einen heruntergekommenen Handlanger, der bei Bauarbeiten in einer Seitengasse aushalf und ihnen von seinen morgendlichen Beobachtungen berichtete.
»Ich hab' keine Unterkunft«, erzählte er in einer seltsam abgehackter Sprache, »liege daher oft unter der Brücke, weil es da geschützt ist. Liege also unter der Engelsbrücke vorletzte Nacht, schlafe schlecht, weil das Wasser steigt, und bin im Morgengrauen wach. Mußte pinkeln, ging daher ein paar Schritte ins Gebüsch und hörte Stimmen. Da stehen drei Schwarzkutten um einen Strauch und gaffen. Ich schleiche mich vorsichtig heran. Lag da ein halbnacktes totes Mädchen; ein Busen war wunderschön, der andere schrecklich zugerichtet. Bin sofort leise weggeschlichen, dann die Treppen hoch und davongelaufen. Wer weiß, ich bin ohne Obdach, am Schluß meint noch jemand, ich hätte etwas damit zu tun.«
Dann schwieg der Handlanger und sah Serena aus blutunterlaufenen Augen an. Der Blick ging ihr durch Mark und Bein.
»Was geschah dann? Hast du noch etwas gesehen?« fragte Cesare.
»Nicht genau; ich glaube, drei Schwarzkutten haben die Leiche weggebracht.«
»Was waren das für Schwarzkutten?«
»Mönche eben; mit Kapuzen über dem Kopf.«
Mehr war dem Mann nicht zu entlocken. Sie bedankten sich und berieten an der Engelsbrücke, was sie als nächstes machen sollten.
»Wenn wir jetzt zu viel herumfragen«, gab Cesare zu bedenken, »machen wir auf uns aufmerksam. Vielleicht sollten wir bei der Schreibstube des Governatore vorbeischauen. Die Sbirri müßten Bescheid wissen, wenn gestern morgen eine Leiche gefunden worden ist.«
»Die Marktweiber haben gesagt, der Governatore dürfe wegen der toten Huren nicht ermitteln; irgend jemand scheint hier alles geheimzuhalten«, erklärte Serena.
Cesare stieß einen Pfiff aus. »Das verspricht spannend zu werden.«
»Wir werden uns Ärger
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