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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Inneren des Zimmers, sondern einige auch draußen im Freien. Eigentlich ganz normal, wenn ein Fenster zerbricht, doch nicht für diesen Beamten. Noch am gleichen Tag verbreiteten die lokalen TV - und Radiosender die Nachricht, die Ermittler hätten große Zweifel, dass das Fenster tatsächlich mit einem Stein eingeschlagen worden sei.
    Die Carabinieri und die Polizeibeamten durften die Tür nicht ohne Erlaubnis eines Staatsanwalts aufbrechen. Also war es am Ende Luca Altieri, der sie mit einem kräftigen Schulterstoß öffnete. Drinnen war es relativ dunkel, doch der junge Mann konnte genug erkennen, um voller Grauen aufzuschreien: Alles war voller Blut, der Boden, die Wände, die Möbel. Unter einer beigen Daunendecke, die jemand auf den Boden geworfen hatte, ragte ein nackter Fuß hervor.
    Marco, dem es gelungen war, einen Blick in das Zimmer zu werfen, drehte sich um und schrie: »Blut! Blut!« Mit erstickter Stimme wiederholte Luca: »Ein Fuß, ein Fuß …«
    Als Inspektor Battistelli die Situation erfasst hatte, befahl er den jungen Leuten, das Haus zu verlassen. Er war der Erste, der Merediths Zimmer betrat, neben der Daunendecke niederkniete und sie auf einer Seite leicht anhob, um zum ersten Mal das Gesicht des ermordeten Mädchens zu sehen, schlimmer noch: die Maske aus geronnenem Blut.
    Schon der erste Blick ließ vieles erkennen: Die Kehle war durchgeschnitten worden, der Körper, der auf dem Rücken lag, war, bis auf ein über die Brust gerolltes T-Shirt, nackt. Der schwarze Slip lag nicht weit von den Füßen der jungen Frau entfernt, ebenso der zerrissene, blutgetränkte BH . Es handelte sich offenkundig um sexuelle Gewalt oder eher um den Versuch, da sich Meredith heftig gewehrt hatte. Schließlich hatte der Angreifer sie mit einer scharfen Messerklinge für immer zum Schweigen gebracht. Meredith war von ihrem Mörder eingeholt worden, als sie versucht hatte, ihm auf allen vieren zu entkommen. Sie wurde von hinten am Kopf gepackt. Dann der schreckliche Moment, als er das Messer durch ihre Kehle zog.
    Eine Blutlache auf dem Boden, überall an den Wänden Spritzer und rote Striche, die von blutigen Händen stammten, Fußspuren auf den Fliesen und dem kleinen Badezimmerteppich, ein Spermafleck auf dem Kissen – reichlich DNA -Spuren, sollte man meinen. Dann sogar noch die nicht hinuntergespülten Fäkalien in der Toilette, die mit Sicherheit von dem Mörder stammten, einem Mörder, der angesichts der Gewaltanwendung und des offensichtlichen Motivs nur männlich sein konnte. Kurzum, der Täter hatte so viele Spuren am Tatort hinterlassen, dass man daraus ein Porträt hätte erstellen können, das nicht präziser hätte sein können, wenn er seinen Personalausweis dagelassen hätte.
    Um 14.00  Uhr trafen vier Videografen und Fotografen der Spurensicherung aus Perugia ein. Um den Tatort nicht zu kontaminieren, waren sie von Kopf bis Fuß in weiße Schutzanzüge gekleidet. In Anwesenheit von Staatsanwalt Mignini, dem Chef des Amts für kriminalpolizeiliche Ermittlungen, Giacinto Profazio, und Kommissar Edgardo Giobbi vom SCO , begannen sie mit ihrer Arbeit. Weitere Polizeibeamte, die von der Kriminalbiologin Dottoressa Patrizia Stefanoni koordiniert wurden, ergänzten das Expertenteam. Hinzu gesellten sich noch einige Gerichtsmediziner unter der Leitung von Luca Lalli, einem Professor der Universität Perugia.
    Die Spurensicherung in Merediths Zimmer wurde mit Hilfe mehrerer Speziallampen und einer Kamera vorgenommen, die alles aufzeichnete. Die Arbeit begann nach Mitternacht und dauerte viele Stunden.
    Hätte Mignini, der als Staatsanwalt nach dem Gesetz die Ermittlungen zu leiten hatte, die vielen präzisen Antworten abgewartet, die sich aus den Laboruntersuchungen des reichlich vorhandenen Genmaterials ergaben – er hätte die Lösung des Mordfalls in Händen gehabt. Er hätte den Namen des Mörders in Händen gehabt, die Gewissheit, wer sich am Tatort aufgehalten hatte und, noch wichtiger, wer nicht dort war. Er hätte einen minutiösen Bericht in Händen gehabt, mit allem, was sich in der Nacht vom 1 . auf den 2 . November in dem kleinen Häuschen in der Via della Pergola abgespielt hatte. Und er hätte harte Beweise in Händen gehabt, die kein noch so guter Anwalt während des Prozesses je hätte widerlegen können.
    Mignini hingegen hielt es für überflüssig, die Laborergebnisse abzuwarten. Er hatte sich seine eigene Wahrheit zurechtgebastelt, die seiner Ansicht nach natürlich auf einer
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