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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Marie Knox in der Montagnacht zugegeben hat, sich am Tatort befunden zu haben, und indem sie Lumumba als den eigentlichen Urheber des Verbrechens beschuldigte, lieferte sie ihren Zuhörern eine Reihe von Tatsachen, die es ihnen – egal, ob sie nun wahr sind oder nicht –, zusammen mit dem engmaschigen Indiziengefüge, gestatteten, die drei Namen mit einem Verbrechen in Zusammenhang zu bringen, das eine Freiheitsstrafe nach sich zieht. Doch soweit man die Lage im Moment nachvollziehen kann, lässt das Geständnis die Rekonstruktion von Merediths letzten Stunden ebenso wenig zu wie die Frage, inwiefern Amanda an dem Tod der jungen Frau Mitschuld hat.«
    Dieser ausgezeichnete Journalist konnte nichts weiter tun, als das wiederzugeben, was der Polizeipräsident auf der Pressekonferenz hatte verlautbaren lassen, doch die Rekonstruktion der Ereignisse wirkte so exzentrisch, dass er pflichtschuldigst ein paar Zweifel anklingen ließ.
    Nicht alle hatten solche Skrupel. Die mit Mignini »befreundeten« Journalisten verbreiteten dessen Wahrheit als unumstößliche Tatsache, und als solche wurde sie von der Mehrzahl der ausländischen Journalisten aufgegriffen, vor allem von den englischen. Ein Beispiel: »How angelic student orchestrated satanic murder«.
    Abgesehen von der dringlichsten Frage, ob ein Mord mit sexuellem Hintergrund von einer Frau organisiert worden sein konnte, mussten sich auch deswegen Zweifel regen, weil sämtliche forensischen Gutachten noch zu erstellen waren und daher kein einziges Ergebnis präsentiert worden war. Fragwürdig musste auch das lange, zu lange Verhör der gerade mal zwanzigjährigen Amanda erscheinen, einer jungen Frau, die erst vor einem Monat nach Perugia gekommen war und deshalb noch nicht gut Italienisch sprach.
    Doch die größten Zweifel hätten den Ermittlern aus Perugia kommen müssen, denjenigen, die von der ersten Stunde an behauptet hatten, das kaputte Fenster in der Via della Pergola sei eine Inszenierung, eine Irreführung, für die ausschließlich jemand mit freiem Zutritt zum Haus verantwortlich sein konnte. Amanda, immer wieder Amanda und nur Amanda – die Einzige, die nach Ansicht der Beamten in jener Nacht mit Meredith zusammen gewesen war.
    Und doch sind in Perugia zwischen September und Oktober zwei weitere Fenster mit Steinen eingeschlagen worden. Und zum Zeitpunkt von Merediths Ermordung wussten die Ermittler auch, wer diese Steine geworfen hatte.

[home]
    Kapitel 5
    I n der Nacht des 27 . September wurde Cristian Tramantano von Gepolter und dem Geräusch von zersplitterndem Glas geweckt. Er war Barkeeper im
Merlin,
jenem Lokal, in dem Meredith Kercher fünf Wochen später in der Halloween-Nacht zum letzten Mal in ihrem Vampir-Umhang fotografiert werden sollte. Cristian wohnte auf dem Corso Bersaglieri in einem kleinen Appartement im Erdgeschoss. Um Platz zu gewinnen, war dort eine Galerie eingezogen worden, auf der sich nun sein Bett befand. Hätte ein Dieb einen Blick durchs Fenster geworfen, er hätte glauben müssen, dass niemand zu Hause war. Und wenn er außerdem den Bewohner gekannt hätte, hätte er vermutet, dass Cristian sich noch länger an seinem Arbeitsplatz aufhalten würde. Doch an jenem Abend war der junge Mann nicht ins
Merlin
gegangen.
    Cristian begriff sofort, dass ein Dieb ins Haus eingedrungen war. Er schaltete das Licht ein und sprang von der Galerie herunter, entschlossen, sich dem Einbrecher entgegenzustellen. Vor ihm stand ein junger dunkelhäutiger Mann, auch er völlig überrascht und wahrscheinlich erschrocken, was ihn wohl noch gefährlicher machte. In seiner rechten Hand blitzte ein Klappmesser mit einer langen Klinge auf. An seinem irren Blick konnte man ablesen, dass er bekifft, vielleicht auch betrunken war. Klar war auch, dass er ohne Zögern von seiner Waffe Gebrauch machen würde, um nicht geschnappt zu werden. Cristian packte einen Stuhl, um ihn als Schild und gleichzeitig als Waffe zu benutzen. Er richtete die vier Beine auf den Unbekannten, hielt ihn so auf Distanz und versuchte ihn zu verscheuchen.
    Der Farbige ergriff nicht sofort die Flucht. Für einen Augenblick schien er bereit zu kämpfen. Doch Cristian musste zu entschlossen gewirkt haben, und vielleicht begriff der Eindringling auch, dass dies eine sehr dumme Entscheidung gewesen wäre. Also wich er zur Tür zurück, lief auf die Straße hinaus und rannte davon.
    Cristian hatte den jungen Afrikaner noch nie gesehen, wusste also nicht, wer er war. Dennoch ging er am

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