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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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wo sich Amandas und Merediths Haus befand.
    Er war bekannt unter den jungen Leuten, die ihn »Baron« nannten und damit den Namen des Basketballspielers Byron Scott verballhornten, den Rudy verehrte. Auch er kannte sie irgendwie alle, kannte ihre Gewohnheiten, wusste, wer »rauchte« und von wem derjenige seinen Stoff kaufte.
    Alles in allem war Rudy also niemand, den die Polizei oder Justiz bevorzugt behandelt hätte – es sei denn, seine Kontakte zu den ausländischen Studenten wären der Polizei oder der Staatsanwaltschaft wertvoll erschienen. Es sei denn, er hätte eingewilligt, als Informant zu agieren, eine Wahl, die ihm Schutz garantiert hätte.
    Natürlich würde dies kein Amtsträger je zugeben. Doch man kann sich die Wahrheit, oder etwas, was ihr sehr nahekommt, zusammenreimen. Die Polizei und Staatsanwalt Mignini beispielsweise verhielten sich äußerst merkwürdig, als Rudy Guedés Name in Zusammenhang mit dem Mord an Meredith Kercher fiel und sich die gewitzte
Mediaset
-Journalistin Anna Boiardi auf die Suche nach einem Foto des Ivorers machte. Denn seltsamerweise hatte die Polizei den Journalisten kein Bild zur Verfügung gestellt, wie sie es sonst tut, wenn es sich um einen Gesuchten handelt. Da man in Italien bei der Nutzung eines Internetcafés eine Kopie seines Personalausweises hinterlegen muss, suchte die Boiardi das Café auf, in dem Guedé für gewöhnlich verkehrte. So kam sie an das Foto und veröffentlichte es. Interessanterweise erfuhr die Journalistin, dass auch die Polizei in dem Café gewesen war, dort das Foto gesehen, aber nicht mitgenommen hatte – und das, obwohl es das einzige war, das von dem gesuchten Guedé existierte. Als
Mediaset
das Foto schließlich sendete, erregte sich die Polizei maßlos über die Journalistin. Mignini schickte seine Leute sogar nach Mailand, um Boiardis Haus zu durchsuchen – wonach, weiß man nicht. Anschließend ließ er wegen »versuchter Behinderung des öffentlichen Dienstes« gegen sie ermitteln, ein Vergehen, das er unbequemen Journalisten schon einige Male angelastet hatte.
    Der Verdacht, Rudy Guedé sei ein Informant, vielleicht sogar ein Informant der Staatsanwaltschaft, kursierte beharrlich unter den ausländischen Journalisten, die Monate nach dem Verbrechen endlich nach Perugia kamen. Sie hatten beschlossen, künftig die Artikel der Lokalzeitungen zu ignorieren, da diese dem Diktat des Anklägers unterworfen schienen.
    Bob Graham, einer der Abgeklärtesten unter ihnen, Vollblut-Ire mit der Statur eines Ex-Rugbyspielers, interviewte Mignini für die
Sun,
nachdem er ihn mit einer Flasche vorzüglichen Whiskys aus seiner Heimat für sich eingenommen hatte.
    Höflich und scheinbar ohne Hintergedanken fragte Graham den Staatsanwalt schließlich, ob es sich bei Guedé seines Wissens um einen Informanten handle.
    Mignini antwortete: »Ich kann nicht sagen, ob Guedé ein Informant der Polizei gewesen ist, aber für einen Mann mit seiner Vergangenheit wäre es nicht ungewöhnlich. Wie dem auch sei«, fügte er noch hinzu, »es ist hier nicht von Bedeutung.«
    Doch genau wie andere italienische Beamte, die interviewt worden waren, hatte Mignini laut Grahams Artikel zugegeben, dass Guedé zum Zeitpunkt des Mordes an Meredith im Gefängnis hätte sitzen müssen.
    Der Journalist versuchte nun zu klären, was genau in Mailand passiert war und weshalb man Guedé freigelassen und zurück nach Perugia geschickt hatte. Ein Sekretär der Staatsanwältin Maria Vulpio, der sich um den Fall gekümmert hatte, gab zu: »Wir haben eine Anweisung der Polizei aus Perugia erhalten, ihn in einen Zug zu setzen und zurückfahren zu lassen, ohne ihm etwas anzulasten.«
    Graham fragte den Sekretär, ob dem Ivorer wohl eine solche Vorzugsbehandlung zuteilgeworden sei, weil es sich bei ihm um einen Informanten handelte.
    »Das weiß ich nicht … Aber das ist das, was normalerweise in solchen Fällen passiert …«
    In einem anderen Interview versuchte Mignini, jeden Verdacht von sich zu weisen: »Wenn ich in Mailand Staatsanwalt gewesen wäre, hätte ich ihn verhaftet. Das war ein Fehler der Mailänder Staatsanwältin, es ist ihre Schuld, dass er damals immer noch frei herumlief.« Dann fügte er noch hinzu: »Als sein Name im Zusammenhang mit dem Mordfall an der Kercher fiel, erkundigte ich mich, wer er sei. Die Polizei erklärte mir, er habe mehrere kleine Vergehen begangen, die nie vor einem Gericht verhandelt worden seien. Daher würde es mich nicht überraschen,

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