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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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interviewt worden war. Griffin zeigte und kommentierte eine Szene, in der Mignini ihn ein weiteres Mal aufsuchte, um zu fragen, ob es möglich sei, das Interview noch einmal aufzunehmen – für den Fall, dass er nicht überzeugend genug gewirkt habe.
    Die Amerikaner fanden Migninis Verhalten so ungewöhnlich und verfehlt, dass es für sie tatsächlich so etwas wie »eine Meldung« war. Für Mignini hingegen war es völlig normal – im Prinzip zeigte es, wie seine Beziehungen zur lokalen Presse angelegt waren.
    Frank, der kleine, einsame Blogger, sah diese Beziehungen in einem anderen Licht. Er übte den Beruf des Journalisten, den er im Grunde für sich erfunden hatte, so aus, wie es auch die echten tun sollten. Und die Vorkommnisse in Perugia hatten ihn in der Annahme bestärkt, dass die Regel, nach der jede Meldung erst überprüft werden müsse, im Fall Kercher doppelt gelte. Als in
Porta a Porta,
einer der wichtigsten Talkshows Italiens, angekündigt wurde, man habe einen »Superzeugen« gefunden, dessen Aussage Amandas und Raffaeles Schuld ein für alle Mal beweisen würde, wollte Frank sich diesen Zeugen aus der Nähe ansehen. Gefunden hatten ihn angeblich zwei Reporter des Provinzblättchens
Giornale dell’Umbria,
einer Tageszeitung aus Perugia.
    Allein schon die Tatsache, dass diese mysteriöse Person erst zehn Monate nach dem Mord ausfindig gemacht worden war, hatte Frank misstrauisch gemacht. Als er dann noch sah, dass die Person nur mit verdecktem Gesicht gezeigt wurde – ganz so, als handle es sich um einen Zeugen gegen die Mafia, der wer weiß welche Vergeltung fürchten musste –, war er sich fast sicher: Die Nachricht war ein Fake.
    Auf dem kleinen Bildschirm konnte man nur lange graue Haare erkennen und lediglich die Stimme des »Superzeugen« hören, der behauptete, Amanda und Raffaele am Abend des Verbrechens in den Gärten der Piazza Grimana gesehen zu haben, auf der Grünfläche mit dem von Bäumen gesäumten Basketballplatz, der die Via della Pergola überragt. Dort, wo sich Rudy ebenfalls oft aufgehalten hat, genauso wie viele andere orientierungslose Jugendliche, Drogenabhängige und Obdachlose.
    Der »Superzeuge« fügte noch hinzu, die beiden jungen Leute seien einige Male in Richtung des kleinen Landhauses gegangen, wo Meredith wohnte, um ein Auge darauf zu werfen, und miteinander tuschelnd wieder umgekehrt.
    Am nächsten Tag ging Frank auf die Piazza Grimana und schaute sich um. In nur fünf Minuten hatte er den Typen mit den langen grauen Haaren ausfindig gemacht. Es war der Pusher der Piazza, der immer auf der Bank neben dem Zeitungskiosk saß und den alle kannten, die Polizei eingeschlossen.
    Frank war verblüfft: »Okay«, sagte er sich, »es ist normal, dass ein nationales Netzwerk Lokaljournalisten mit der Nachverfolgung eines Falls betraut. Aber verdammt – wie zum Geier haben sie es geschafft, den Gammler von der Piazza
Porta a Porta
unterzujubeln?«
    Der einsame Blogger beschloss, die Wahrheit herauszufinden. Das Ergebnis war einer der heftigsten Artikel, die je auf seinem Blog erschienen waren.
    »Also wirklich«, hieß es zu Beginn, »es bedurfte keines Lokalreporters, keines Geheimdienstes, und man musste auch nicht in kriminelles Unterholz kriechen, um diesen Typen aufzuspüren! Er ist der erste Mensch, den ihr treffen würdet, würdet ihr euch dorthin begeben. Er saß einfach da, jeder konnte an ihn herantreten, und ganz besonders natürlich die Polizei … die ihn nach dem Mord und den Verhaftungen sicher mehrere Male verhört hat. Wer aber soll denn bitte glauben, dass der Obdachlose, der gegenüber der Polizei nie ein Wort hat verlauten lassen, sich jetzt plötzlich erinnert, Amanda und Raffaele gesehen zu haben, kaum dass das
Giornale dell’Umbria
auf ihn zukommt?
    Wie also konnte man den erfahrenen Moderator von
Porta a Porta
überzeugen, dieser Unglücksrabe würde einen glaubwürdigen Zeugen abgeben?«
    Weiter schrieb Frank: »Für einen Moment glaubte ich, die grauen Haare seien ein Zufall und er sei nicht der Richtige. Doch das war er!
    Also trat ich näher und sprach ihn an. Er sagte, er sei nicht der Mann aus dem Fernsehen.
›Porta a Porta‹,
erklärte er mir, ›ist keine gute Sendung.‹
    Doch stellt euch vor, im nächsten Moment betonte er schon, genau zu wissen, was er gesehen habe, und sich seiner Sache völlig sicher zu sein. Er gab also zu, der Superzeuge zu sein. Doch er wollte nicht darüber reden.
    In nur zwei Sätzen hatte er seine

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