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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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gefragt.
    »Nein, weil es nicht geht. Es geht einfach nicht.«
    Und einer hatte gesagt: »Es ist nicht erlaubt.«
    Das hatte sie in ihrer Entschlossenheit noch bestärkt.
    Schließlich waren sie über die Grenze nach Deutschland gekommen. Vielleicht war es ja in Deutschland erlaubt.
    Das Gespräch hatte am 11. November 1978 stattgefunden.
    »Wir wollen ein Kind«, hatte eine der beiden zu Doktor Hoppe gesagt.
    »Von uns beiden«, hatte die andere verdeutlicht.
    Beiden war aufgefallen, dass der Doktor sie angesehen hatte, als redeten sie wirres Zeug. Alle Hoffnungen, die sie sich auf der Zugfahrt nach Bonn gemacht hatten, waren auf einmal dahin gewesen. Sie waren sich lächerlich und naiv vorgekommen und schon halb wieder aufgestanden, als der Doktor ihnen knapp mitteilte, es sei möglich.
    Sie hatten erstaunt reagiert und mit Nachdruck wiederholt, dass sie sich ein gemeinsames Kind wünschten. So wie das bei einem Mann und einer Frau sei. Ein Kind mit von beiden Elternteilen geerbten körperlichen Merkmalen.
    »Möglich ist es durchaus«, hatte der Doktor gesagt, »aber erst später.«
    »Wir haben alles dabei«, hatte die eine entgegnet, und die andere hatte eine Mappe aus ihrer Tasche geholt und sie ihm aufdringlich unter die Nase gehalten. »Die Resultate von gynäkologischen Abstrichen und Blutproben, der Verlauf unserer Zyklen. Im Augenblick sind wir beide fruchtbar.«
    »Unsere Zyklen verlaufen parallel«, hatte die andere stolz verkündet und dabei einen einvernehmlichen Blick mit ihrer Freundin getauscht. »Das ist etwas Besonderes, nicht wahr?«
    »Im Kloster bekommen die Schwestern auch jeden Monat zur selben Zeit ihre Tage«, hatte der Doktor trocken entgegnet.
    Die Frauen waren kurz irritiert gewesen. Der Doktor hatte die Mappe aufgeschlagen und darin geblättert.
    »Wie groß ist die Chance, dass es klappt, Herr Doktor?«
    »Ich berechne keine Wahrscheinlichkeiten«, hatte er geantwortet.
    Die Frauen hatten sich in seiner Gegenwart unbehaglich gefühlt. Das erzählten sie einander mit als Erstes, als sie wieder draußen standen. Aber dieses Gefühl schien im Hinblick auf die gute Neuigkeit unbedeutend.
    »Kommen Sie morgen wieder«, hatte er gesagt, nachdem er die beiden untersucht hatte. »Dann fangen wir an.«
     
    Er hatte die Frauen wegschicken wollen. Er hätte sie wegschicken müssen. Aber er hatte wieder etwas anderes gesagt, als er hatte sagen wollen. Er hatte gesagt, was ihm plötzlich vor Augen gestanden hatte, was aber nie hätte ausgesprochen werden dürfen.
    »Möglich ist es durchaus«, hatte er gesagt. Als er sich selbst diese Worte sagen hörte, war es schon zu spät gewesen. Dass er noch hinzugefügt hatte, es sei erst später möglich, hatten die Frauen falsch verstanden. Oder er hatte es falsch ausgedrückt.
    Als sie ihm ihren Wunsch eröffnet hatten, hatte er plötzlich vor sich gesehen, wie es anzugehen wäre. Theoretisch war es möglich. Er musste die Kerne zweier willkürlicher Zellen der beiden Frauen zusammen in eine befruchtete Eizelle einbringen, deren Kern er zuvor entfernt hätte. Es war ein Versuch, den er während seines Studiums an der Universität mehrmals durchgeführt hatte, wenn auch mit Eiern von Fröschen oder Salamandern.
    »Möglich ist es durchaus«, hatte er also gesagt.
    Aber gleich darauf war ihm wieder eingefallen, was dem praktisch alles entgegenstand. Menschliche Eizellen waren tausendmal kleiner als solche von Amphibien. Und bei den Versuchen mit Amphibien war der entstandene Embryo nie zu einem Tier ausgewachsen.
    Darum hatte er noch hinzugefügt, es sei erst später möglich. Er hatte damit sagen wollen, dass er noch Zeit brauchte. Monate, vielleicht sogar Jahre.
    Aber sein erster Satz hatte den Frauen Hoffnungen gemacht, an die sie sich geklammert hatten. Da hatte er es nicht mehr gewagt, sie zu enttäuschen. Deshalb hatte er wiederum Dinge gesagt, bei denen sie ihn sonderbar angesehen hatten. Hinterher wusste er selbst nicht mehr genau, was er eigentlich gesagt hatte.
    Dann hatte er die Frauen untersucht. Eine von ihnen hatte vorgeschlagen, sie könnten vielleicht alle beide befruchtet werden. Vielleicht hatte sie das als Scherz gemeint, aber der Doktor hatte es nicht so aufgefasst. Es hatte ihn wieder zum Nachdenken angeregt, und schließlich hatte er eingesehen, was für eine einmalige Chance die Frauen ihm boten.
    Also hatte er ihnen gesagt, er würde am nächsten Tag damit anfangen, obwohl er gewusst hatte, dass es noch zu früh war. Er musste erst

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