Der Engelmacher
selber zurück, das wusste er.
Aber seit Schwester Marthe wiedergekommen war, hatte sie nicht mehr so gerochen. Und das, obwohl die anderen Schwestern seither schon wieder zweimal damit infiziert gewesen waren. In den Zeiten hatte Victor es wahrlich als Erleichterung empfunden, wenn er von Schwester Marthe gewaschen und ins Bett gebracht wurde.
Dass sie nicht diesen Geruch an sich hatte, war für ihn eine Feststellung, aus der er weiter nichts ableiten konnte. Die Neuigkeit, die sie ihm eines Tages erzählte, war deshalb auch eine Überraschung für ihn.
Sie war gerade dabei, ihn im Waschsaal mit einem Handtuch abzutrocknen.
»Sie werden es nun bald merken«, sagte sie. »Man kann es schon sehen. Und fühlen.«
Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Er spürte lediglich den weichen Stoff ihrer Kutte.
»Da wächst ein Kind in meinem Bauch«, flüsterte sie.
Sie führte seine Hand hinauf und hinunter, und nun spürte er an der Rundung ihres Bauches, dass da tatsächlich etwas unter der Kutte verborgen war.
»Sobald Schwester Milgitha das merkt, werde ich austreten müssen«, fuhr sie fort. »Erst wird sie mich noch ausschimpfen. Aber das ist es mir wert, denn danach wird sie keine Wahl mehr haben. Und meine Eltern werden mich dann auch nicht mehr zurückschicken können.«
Sie ging in die Hocke und ergriff seine Hände. Sie sah ihm in die Augen, aber er wandte sie ab.
»Wenn es ein Junge wird«, sagte sie, »nenne ich ihn Victor. Einverstanden?«
Er war einverstanden.
Kaum hatte Schwester Milgitha ein Verdacht beschlichen, fing sie an, die Unterwäsche von Schwester Marthe vor dem Waschen auf Blutflecken zu kontrollieren. Sie nahm den Kalender zu Hilfe und rechnete aus, wann es wohl passiert war und wie lange sie möglicherweise schon schwanger war. Sie fing an, die Novizin zu beobachten, und ihr fiel auf, wie oft sie mit ihrer Hand über ihren leicht gewölbten Bauch strich.
»Tut dir etwas weh?«, fragte sie immer wieder und achtete genau auf die Reaktion der anderen.
Aber Schwester Marthe erschrak nicht einmal. Arglos schüttelte sie den Kopf und sah die Äbtissin empört an, als frage sie sich, wie sie in Gottes Namen darauf käme.
Nachdem Schwester Milgitha fünf Wochen lang keine Blutspuren entdeckt hatte, beschloss sie, die Novizin untersuchen zu lassen. Als Doktor Hoppe wieder seinen Sohn besuchen kam, sprach sie ihn darauf an. Sie bat ihn durchaus öfter um Rat, wenn ihre eigenen Kenntnisse und die der anderen Schwestern nicht ausreichten, aber diesmal fühlte sie sich unwohl dabei. Deshalb verschwieg sie ihm auch, was sie wirklich wissen wollte, und fragte ihn lediglich, ob er bereit wäre, seine Meinung kundzutun über eine Schwester, die schon wochenlang Bauchweh habe.
Sie nahm ihn mit in Schwester Marthes Kammer, die zu diesem Zeitpunkt gerade mit ihren Bibelstudien beschäftigt war. Unterwegs erkundigte sich Doktor Hoppe noch nach seinem Sohn.
»Keine Verbesserung«, sagte Schwester Milgitha, »so Leid es mir tut.«
Er seufzte.
»Glauben Sie, er ist glücklich?«
»Bestimmt, Herr Doktor.«
»Ich hoffe es so sehr, Schwester. Ich hoffe es so sehr für ihn.«
Als die Äbtissin und der Doktor ihr Zimmer betraten, sah Schwester Marthe von der Bibel auf, die vor ihr auf dem kleinen Tisch lag. Sofort schob sie ihren Stuhl zurück, stand auf und nickte beiden höflich zu.
Schwester Milgitha hatte erwartet, dass die Novizin sich jeder Untersuchung verweigern oder doch zumindest irgendeine Frage stellen würde, aber zu ihrem Erstaunen enthielt sie sich jeglichen Kommentars und legte sich sofort aufs Bett, als Doktor Hoppe sie mit einer Geste dazu aufgefordert hatte.
Auch als er sie bat, ihre Kutte nach oben zu schieben, sodass ihr Bauch frei wurde, tat sie dies ohne Zögern.
Die Äbtissin blieb in einer Ecke der Kammer stehen und sah verstohlen zu dem nackten Bauch der Novizin hinüber. Der war unverkennbar gewölbt.
Der Doktor legte seine rechte Hand darauf.
»Sagen Sie mir, wenn es irgendwo weh tut«, sagte er.
Mit den Fingerspitzen tastend und drückend, wanderte seine Hand über den ganzen Bauch.
»Tut nicht weh?«, fragte er ein paar Mal.
Stets schüttelte sie den Kopf.
Dann fing er an, die Beckengegend abzutasten. Ab und zu drückte er seinen Daumen tief in die Haut. Es entging der Äbtissin nicht, dass er dabei die Augenbrauen runzelte.
»Darf ich mal das Stethoskop haben?«, fragte er.
Sie gab ihm das Stethoskop, das er mitgebracht hatte.
»Können Sie kurz
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