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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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wie die eigentümlichen Boote dort heißen. Auf den Wassern der Stadt herrscht eine Geschäftigkeit, wie ich sie zu Lande nirgends erlebt habe. Das blaue Meer der Adria, von den Venezianern einfach nur der Golf genannt, und der Himmel über der Lagune vereinigen sich bei strahlendem Sonnenlicht zu einem riesigen Lapislazuli, der die Serenissima umschließt. Doch alles Jubeln vermag nur einen schwachen Abglanz zu bieten, und so sei ein jeder aufgefordert, mit eigenen Augen das Wunder dieser Stadt zu schauen.
    Zu der Zeit, als wir in Venedig ankamen, fielen jedoch Schatten auf die glänzende Pracht, denn auch die Lagunenstadt bekam die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Aus den Landstrichen, die Kaiser Karls Horden verwüstet hatten, ergossen sich Flüchtlingsströme nach dem reichen Venedig hin.
    Der Reichtum litt unter den Störungen des Handels, die der Krieg mit sich brachte. Zwar beschloss man, die Hilfesuchenden mit einer Geldsumme abzufinden und aus der Stadt zu weisen, doch ihre Zahl in der Serenissima wuchs beständig.
    Hinzu kam der Schrecken der Pest, die unter den Verwahrlosten wütete und auch die Reichen nicht verschonte.
    Die allerorten geübte Wohltätigkeit vermochte die Zahl von Bettlern und Verhungernden nicht zu verringern. Auch im Fondaco dei Tedeschi, dem Speicherhaus der deutschen Kaufleute, übte man sich in Mildtätigkeit und teilte täglich Suppe an die Armen aus. Ich kann das bezeugen, denn Cellini, Caterina und ich kamen als vermeintliche Bedienstete der Fugger in dem großen neuen Bauwerk am Canal Grande unter.
    Des Nachts teilten wir uns ein Zimmer, bei Tage sahen wir uns kaum. Auf Cellinis Geheiß, Wunsch konnte man es nicht nennen, blieb die als Mann verkleidete Kurtisane auf unserem Zimmer. Ich begleitete den Goldschmied Tag für Tag auf einer Gondelfahrt durch die verwinkelten Kanäle. Mehrmals wechselten wir die Gondel, woraus ich ersah, dass Cellini uns keineswegs in Sicherheit wähnte.
    Als ich ihn darauf ansprach, warf er mir mit säuerlicher Miene vor: «Ihr musstet die Krähe unbedingt mitschleppen. Jetzt gilt es zu vermeiden, dass sie ein paar Jagdfalken auf uns hetzt.»
    «Ihr misstraut Caterina und haltet sie für eine Spionin?», fragte ich empört.
    «Ihr nicht, Signor Rosin?»
    «Nein.»
    «So hat Plutarch Recht», sagte er mit einem bitterbösen Lächeln.
    «Womit?»
    «Damit, dass Liebe blind macht für den geliebten Gegenstand.»
    Mir war viel Zeit gegeben, über die Worte des Spötters nachzudenken. Unsere tägliche Gondelfahrt führte uns in einen höchst düsteren und ärmlich wirkenden Winkel der Stadt. Nicht einmal die Bettlerhorden ließen sich hier blicken, wohl in dem Glauben, dass an diesem Ort nichts zu holen sei. Was der Goldschmied in dem heruntergekommenen Gebäude tat, das er jeden Vormittag aufsuchte und in dem er bis zum Abend blieb, wusste ich nicht. Er ließ mich vor dem Haus Wache halten, ohne mir mehr über den seltsamen Auftrag des Papstes mitzuteilen, der ihn hierher geführt hatte. So hockte ich Stunde um Stunde auf einem alten Wasserfass oder ging auf und ab, damit meine Glieder nicht einschliefen, und sann über Caterina Coscia nach.
    War es ein Zufall, der sie in unsere Obhut getrieben hatte?
    Oder folgte sie einem geheimen Befehl, uns auszuspionieren?
    Dann stand sie in den Diensten der Kaiserlichen, und die drei Landsknechte, die dank Cellinis und meiner Tatkraft im Tiber versunken waren, hatten ihre finsteren Absichten bloß vorgetäuscht. Wenn Caterina tatsächlich eine Spionin war, was wusste sie? Und was hatte sie vor, was bereits unternommen?
    Mir fiel dazu nichts Rechtes ein, was nicht verwunderlich war, da Cellini sich über seine Mission in Schweigen hüllte. Mein Zorn auf ihn war um ein Vielfaches größer als meine Zweifel an der Kurtisane. Plutarch war ein sehr weiser Mann.
    Am vierten Tag sollte ich zu der schmerzhaften Erkenntnis gelangen, dass auch der Goldschmied mit Weisheit gesegnet war, mit größerer als ich auf jeden Fall. Der Tag war so ereignislos verlaufen wie die vorangegangenen, und die länger werdenden Schatten verhießen ein Ende des stumpfsinnigen Wartens, ein sättigendes Mahl und das heiß ersehnte Wiedersehen mit Caterina. All das sah ich plötzlich gefährdet, als aus den Schatten der eng zusammenstehenden Häuser drei schwarz gewandete Gestalten wuchsen. Finster wie sie selbst war auch ihre Absicht. Wie sonst sollte ich die Waffen in ihren Händen – Schwert, Dolche und Keule – deuten?
    Ich selbst hatte

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