Der Engelspapst
Methoden anwandten.»
Ein verrückter Gedanke schoss Alexander durch den Kopf:
«Waren es etwa auch Auserwählte, die im Zweiten Weltkrieg den Vatikan bombardiert haben?»
Solbelli schien am liebsten im Boden versinken zu wollen.
«Nicht gerade eine unserer Ruhmestaten, ich weiß. Aber die Situation war verfahren. Hitler hielt Rom besetzt und hatte mehr als ein begehrliches Auge auf den Vatikan geworfen. Er hatte mehrere Pläne ausarbeiten lassen, um den Papst zu entführen –
und um die Wahre Ähnlichkeit Christi an sich zu bringen.
Glücklicherweise hatten einige Auserwählte großen Einfluss im britischen Bomberkommando. Wir haben versucht, den Schaden möglichst gering zu halten. Ganz gezielt wurde der Teil des Vatikans bombardiert, wo wir den Eingang zum unterirdischen Versteck des Smaragds vermuteten.» Er stockte und fingerte am Gestell seiner Brille herum. «Wir mussten es tun. Hätte Hitler den Vatikan überfallen und sich des Smaragds bemächtigt, hätte er der Welt einen eigenen Papst präsentiert und einen Glauben verkündet, der nur seinen Zielen gedient hätte. Die Katholiken in den alliierten Staaten wären verunsichert gewesen, hätten als verlässliche Soldaten gegen das Nazi-Regime kaum noch getaugt. Vielleicht wäre es zwischen Katholiken und Protestanten sogar zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen gekommen.»
«Das klingt nach den Phantasien eines Thriller-Schreibers», sagte Alexander.
«Es gibt schriftliche Unterlagen über einen Plan mit dem seltsamen Namen ‹Rabat-Föhn›. SS-Truppen in italienischen Uniformen und mit italienischen Waffen sollten nachts in den Vatikan einfallen und unter den hohen Kurialen ein Massaker anrichten. Die Panzerdivision Hermann Göring wäre als Retter in der Not aufgetaucht und hätte den Kirchenstaat besetzt. Papst Pius XII. wäre entweder im Laufe der Kämpfe umgekommen oder in deutsche Schutzhaft genommen worden. Pius muss darüber zumindest vage unterrichtet gewesen sein, denn er hat schriftlich seinen Rücktritt für den Fall verfügt, dass er gegen seinen Willen in Gewahrsam genommen wird.»
«Und woher wusste Hitler von der Wahren Ähnlichkeit Christi? »
Solbelli zuckte mit den Schultern. «Genaues weiß ich nicht.
Die Nazis hatten bekanntlich einen starken Hang zu allem Mystischen und Okkulten. Himmler, der sich für den reinkarnierten König Heinrich I. hielt, ist das beste Beispiel. Er hat nach dem Heiligen Gral und anderen mystischen Gegenständen suchen lassen. Gut möglich, dass die Nazis dabei zufällig auf den Smaragd gestoßen sind.»
Alexander hielt es für wahrscheinlich, dass italienische Totus-Tuus-Mitglieder zu den Faschisten gehört hatten, zu Hitlers Verbündeten. Sein Schädel brummte. Er fragte sich, ob das die Nachwirkungen der Operation waren, der Whiskey oder die wilden Geschichten, die Solbelli ihm auftischte. Er hielt den Privatgelehrten nicht für einen Lügner und doch schien ihm hier die Grenze zwischen Wahrheit und Phantasie fließend zu sein.
Wer konnte nach so vielen Jahrhunderten des geheimen Kampfes schon sagen, wer was genau aus welchen Motiven heraus getan hatte? Abbas de Naggera und Albert Rosin, Leonardo da Vinci und Hitler waren Geschichte. Aber Markus Rosin lebte – ihn konnte er fragen.
Er verdrängte die sich immer wieder in den Vordergrund schiebenden Gedanken an seinen Vater und stellte die Frage, die allen anderen zugrunde lag: «Was hat es mit dem rechten Glauben auf sich, den die Auserwählten propagieren?»
Solbelli hob zu einer Antwort an, doch da klingelte das Telefon.
Orlandi nahm den schweren Hörer von der Gabel des altertümlichen Apparats. Sein ohnehin längliches Gesicht wurde während des Telefonats immer länger. Er stellte nur knappe Fragen: «Wie das?» – «Und sein jetziger Zustand?» – «Was sagen die Kardinäle?» – «Und die Presse?» Dann berichtete er kurz vom Zirkel der Zwölf und nannte die Namen, die er von Alexander erfahren hatte.
Nachdem er das Gespräch mit einem «Gute Arbeit, halten Sie uns unbedingt auf dem Laufenden!» beendet hatte, wandte er sich den anderen zu und sagte mit belegter Stimme: «Gardien …
er lebt! John Kembles Hand ist vor einer Stunde im Vatikan eingetroffen. Es hat gewirkt! Gardien befindet sich in einem relativ stabilen Zustand, aber er liegt im Koma. Shafqat fürchtet um die Sicherheit des Papstes, wenn er im Vatikan bleibt. Und nach allem, was wir von Signor Rosin über den Zirkel der Zwölf gehört haben, ist diese Furcht nur zu
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