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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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wurde der Querbalken höher geschoben und glitt mit einem dunklen Knirschen am fest eingegrabenen Längsbalken entlang, bis er in die vorbereitete Kerbe rutschte.
    Die Soldaten wischten sich den Schweiß aus den Gesichtern und ächzten in der Sprache der Römer: «Elende Schinderei! Wir sollten leichteres Holz fürs Patibulum nehmen.» – «Das liegt nicht am Holz, sondern an dem Kerl, der dranhängt. Er muss schwere Knochen haben.» – «Vielleicht welche aus Gold.
    Würde mich nicht wundern bei einem König.» – «Wieso König?»
    Der andere lachte und zeigte auf das Schild, das sie auf Anweisung des Statthalters am Kreuz anzubringen hatten: König der Juden.
    Sie schlugen zwischen Jeschuas Beinen einen Stützpflock für den Unterleib in den Längsbalken und nagelten schließlich das Schild über seinem Kopf an. Jeschua erlebte all das wie einen Traum, wollte schon hinübergleiten in eine Welt ohne Qualen, da packte ihn neuer Schmerz und entriss ihn der Betäubung.
    Zwei Nägel fraßen sich durch jedes Schienbein ins Holz des Querbalkens.
    Wieder bei wachem Verstand, sah Jeschua die schaulustige Menge und hörte ihre Rufe: «Kreuzigt ihn!» – «Tötet den Heuchler!» – «Wenn er König sein will, dann im Reich der Toten!»
    Am lautesten schrien die Tempelpriester, die das Volk aufhetzten. Auch viele der Händler und Geldwechsler, deren Geschäfte im heiligen Tempel Jeschua angeprangert hatte, zählten zu den Schreihälsen. Er war eine Gefahr für sie alle, und deshalb wollten sie seinen Tod.
    Doch der Blick in die gehässigen Fratzen, von denen viele sein Ende ebenso sehr herbeisehnten wie er selbst, war nicht das Schlimmste. Denn nun sah er sie, Mirjam, seine Mutter.
    Umgeben von Freundinnen und dem treuen Johanan stand sie wie versteinert dort und wäre vor Scham und Trauer wohl umgefallen, hätten die anderen sie nicht gestützt.
    Es war Jeschua schrecklich, dass er ihr mit seiner Art zu leben so viel Leid zugemutet hatte. Aber hatte sie ihn nicht unterstützt, war sie den schwierigen Weg nicht mit ihm gegangen? Hatte sie nicht leichten Herzens alles Leid auf sich genommen, um Gott wieder den Menschen und die Menschen Gott nahe zu bringen?
    Vielleicht war es sein großer Irrtum gewesen, von sich – seinem festen Willen und seinem leichten Herzen – auf seine Gefolgschaft zu schließen.
    Mirjams Blick kreuzte den seinen. Sie riss sich los, stürzte in den Staub, kam schwankend wieder auf die Beine und lief zum mittleren der drei Kreuze, wo ihr Sohn zwischen zwei gemeinen Dieben hing. Ihre Freundinnen konnten sie nicht halten, und die Legionäre wollten es nicht. Grinsend verfolgten sie das Schauspiel, das die verzweifelte Mutter und ihr todgeweihter Sohn boten.
    Johanan folgte Mirjam und umfasste ihre Schultern, damit sie nicht vor Jeschua niedersank und damit die Legionäre, die Priester, die Pharisäer und die gedankenlosen Krakeeler zu noch mehr Hohn und Spott veranlasste.
    Als Jeschua den Freund und die Mutter Arm in Arm erblickte, sammelte er seine Kräfte und sagte: «Die Mutter hat einen neuen Sohn, der Sohn eine neue Mutter. So soll es sein …»
    Seine Rede erstarb in einem Hustenanfall. Blutiger Auswurf fiel in den Staub.
    Johanan aber hatte ihn verstanden und nickte ihm zu, bevor er Mirjam sanft mit sich zog, zurück zu ihren Freundinnen.
    Immer öfter musste Jeschua jetzt husten. Sein festgenagelter Leib bäumte sich auf und wand sich in dem Bemühen, das Gewicht zu verlagern, die Schmerzen zu lindern, seine Kehle nicht mit Blut und Galle zu füllen. Tausend unsichtbare Dolche stachen in seinen Kopf, viel schlimmer als die Dornenkrone, die man ihm im Prätorium aufgesetzt hatte, um ihn als Judenkönig zu verhöhnen. Er konnte kaum atmen, und wenn er nach Luft schnappte, stiegen Blut und Galle in ihm hoch. Die Nägel, die ihm bei jeder Gewichtsverlagerung neue Schmerzen verursachten, hielten ihn wach, verhinderten, dass ihm die Gnade zuteil wurde, endlich in die Schattenwelt zwischen Leben und Tod zu gelangen.
    Allmählich lichtete die Menge sich. Das Sterben dauerte zu lange, war zu eintönig, um den Zuschauern noch Kurzweil zu bieten. Dann, als der Himmel sich mehr und mehr verdüsterte, zogen sich auch die meisten Priester und Tempeldiener in den Schutz des Tempels zurück. Die Finsternis mitten am Tag kam aus der Wüste, wo Sturmwind den Sand in solchen Massen aufwirbelte, dass die Sonne verhüllt wurde.
    «Chamsin! Chamsin!», schrien die letzten Schaulustigen den Namen des schwarzen

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