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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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blickte Alexander hoch und erkannte mehrere Gestalten, die sich als dunkle Schemen gegen den Nachthimmel abzeichneten. Sie hielten Waffen in den Händen. Waffen, die auf ihn und Spartaco gerichtet waren. Alle Vorsicht hatte nichts genützt. Er stieß einen leisen Fluch aus.
    «Los, kommt hoch!», befahl der Mann mit dem schlechten Englisch.
    Alexander hörte Spartaco zischen: «Tu es, klettere weiter!»
    Er spähte kurz nach unten und sah, dass Spartaco an seinem Rucksack herumfingerte, an dem er die Armbrust befestigt hatte.
    Schusswaffen waren auf Guernsey nicht aufzutreiben gewesen, jedenfalls nicht in der Eile. Deshalb hatte Spartaco für sich eine große, aber aufgrund ihrer Skelettbauweise leichte Armbrust der englischen Firma Barnett und für Alexander eine handliche Pistolenarmbrust besorgt. Alexanders Waffe steckte im Rucksack und ließ sich nicht herausholen, ohne dass die Männer oben etwas davon mitbekamen. Spartaco baute darauf, dass Alexander ihnen die Sicht versperrte und er unbemerkt an seine Waffe kam.
    Mit einem flauen Gefühl im Magen kletterte Alexander weiter.
    Er hielt es in ihrer Lage für reichlich unangebracht, Widerstand zu leisten, aber er konnte das Spartaco nicht mitteilen, ohne ihn zu verraten. Also, näherte er sich langsam dem Kaminende, bis ihn kräftige Hände packten und nach oben zogen. Er landete auf allen vieren, und als er aufblickte, sah er in die Mündungen automatischer und halbautomatischer Waffen. Und in harte, entschlossene Gesichter.
    Eins der Gesichter verzerrte sich plötzlich, und ein gurgelnder Laut kam über die aufgerissenen Lippen. Ein Metallpfeil war in den Hals des Mannes gefahren. Das Schaftende mit den Federn zitterte noch. Die Federn waren rot wie das Blut, das aus der Wunde spritzte. Der Mann kippte vornüber und stürzte über die Klippen.
    Alexander musste handeln. Er schnellte hoch und riss zwei der vier übrigen Männer um. Alle drei rollten sie über den felsigen Boden zum abschüssigen Klippenrand. Unter ihnen tat sich der Abgrund auf.
    Mündungsfeuer blitzte, und der Donner einer Geschossgarbe zerriss die nächtliche Stille. Darauf folgte ein lauter Schrei, der von den Wänden des Kamins als Echo widerhallte.
    Spartaco!
    Kaum hatte Alexander erfasst, was geschehen war, durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz. Jemand hatte ihm einen Waffenkolben zwischen die Schulterblätter gerammt. Der Stoß raubte ihm sekundenlang den Atem und warf ihn bäuchlings zu Boden.

    «Aufpassen!», sagte einer der Männer warnend. «Das ist der Kerl, den der General lebend will.»
    Alexanders Hände wurden auf den Rücken gerissen und mit Handschellen gefesselt. Jemand stülpte ihm einen Sack über den Kopf. Um ihn war Finsternis, doch vor seinem inneren Auge sah er, wie Spartaco den Halt verlor und in die Tiefe stürzte.

24
    Mittwoch, 20. Mai
    Der Sturz in endlose Tiefe verfolgte Alexander bis in seine unruhigen Träume. Aufgewühlt, wie er war, hätte er nicht geglaubt, überhaupt schlafen zu können, aber nach den Strapazen, die hinter ihm lagen, und der durchwachten Nacht hatte die Erschöpfung ihn übermannt. Der Filmprojektor in seinem Gehirn zeigte ihm den Absturz des Freundes, wie um auszugleichen, dass seinen Augen der Anblick erspart geblieben war.
    Spartacos kräftiger Körper, der, von Kugeln getroffen, den Halt verlor. Vergeblich nach einem Felsvorsprung greifende Hände. Ein hilfloses Knäuel aus Gliedmaßen, das fiel und fiel.
    Eine nicht enden wollende, qualvolle Zeitlupensequenz. Mit weit aufgerissenen Augen, phosphoreszierend wie der Bildschirm des Restlichtverstärkers, starrte der Fallende panisch zu Alexander hinauf. Öffnete den Mund und heraus kam ein klirrendes Geräusch. Jähes Licht erinnerte an das Aufblitzen des Mündungsfeuers.
    Das Licht war das einer Taschenlampe, geklirrt hatte es beim Aufschließen der Zellentür. Das wurde Alexander bewusst, als der Film in seinem Kopf abbrach. Trauer über den Verlust des Freundes kroch in ihm hoch. Fast wünschte er sich in die Traumwelt zurück, als habe er dort eine Chance, Spartaco zu retten. Außerdem quälte es ihn, an der selbst gestellten Aufgabe gescheitert zu sein. Aber seine Sorge um Elena überwog die Trauer um Spartaco.
    Allmählich fand er sich in der Realität zurecht. Die Erinnerung an den Marsch über die felsige Insel kehrte zurück. Mehrmals war er gestürzt, weil der Sack über seinem Kopf ihn blind machte. So hatte er auch nicht gesehen, wohin die Männer, die ihn mit kurzen Befehlen und

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