Der Engelspapst
nicht Gottes Sohn, kann auch die auf ihn begründete Stellung des Papstes als Stellvertreter Gottes auf Erden nicht länger Bestand haben. Das ist der eigentliche Grund, warum ihr den Smaragd nicht längst vernichtet habt!»
Markus Rosin starrte ihn erschrocken an. «Du bist tatsächlich ein Ketzer!»
«Diese Diskussion haben wir hinter uns», sagte Alexander mit einer abweisenden Handbewegung. «Genauso überrascht wie du jetzt muss Onkel Heinrich gewesen sein, als er den frisch gewählten Papst über die Lage der Dinge aufklären wollte – war Custos doch sehr interessiert daran, die Wahre Ähnlichkeit Christi der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und er hat Heinrich von seiner Position überzeugt. Das war das Todesurteil für Heinrich und dann auch für den Papst, denn Custos konntet ihr mit dem Smaragd nicht erpressen. Eure geheime Waffe hatte sich plötzlich gegen euch gekehrt.»
«Es tut mir weh, dass du so verblendet bist, Alexander.
Vielleicht hätte ich mich mehr um deine Erziehung kümmern sollen.»
Alexander hielt dem enttäuschten Blick seines Vaters stand und sagte mit fester Stimme: «Ich bin nicht verblendet, im Gegenteil, ich habe die Wahrheit erkannt. Deine Strafkompanie da draußen, in der auch Elena schuftet, hat mir die Augen geöffnet. Was hinter einer Religion steckt, erkennt man doch daran, wie sie mit den Menschen umgeht. Der Glaube ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Glauben. Ihr von Totus Tuus erniedrigt und misshandelt den Menschen, nehmt ihm die Grundbedingung seiner Existenz, die Würde. Das kann nicht Gottes Wille sein!»
Markus Rosin schob den Teller von sich weg, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und das Kinn auf die ineinander verschränkten Hände und sah seinen Sohn lange nachdenklich an. «Wenn du uns nicht aus Überzeugung helfen willst, dann tu es für deine Elena. Du bekommst sie zurück, wenn du uns die Wahre Ähnlichkeit Christi übergibst.»
«Das ist schlicht Erpressung», sagte Alexander.
Dass sein Vater ihn derart unter Druck setzte, war schmerzlich. Doch zugleich empfand er Befriedigung darüber, sich nicht getäuscht zu haben. Das lange Grübeln am Nachmittag hatte ihn zu der Einsicht geführt, dass die miteinander streitenden Mächte, die Electi und Totus Tuus, nach ihren Taten, nicht nach ihren Worten beurteilt werden mussten.
Da bot der Orden, der bedenkenlos Menschen mordete und entmündigte, um seine Ziele zu erreichen, ein düsteres Bild.
Und was sein Vater jetzt tat, bestätigte Alexander in dem Glauben, sich auf die richtige Seite geschlagen zu haben, auf die der Auserwählten.
«Nenn es, wie du willst», sagte Markus Rosin. «Hauptsache, du bringst uns den Smaragd!»
«Ich habe ihn nicht.»
«Du kannst ihn dir beschaffen. Die Electi vertrauen dir.»
«Und dann?», fragte Alexander. «Was nützt euch der Stein gegen Custos, der doch genau das enthüllen will, was die Wahre Ähnlichkeit Christi belegt?»
«Ohne den Stein wird Gardien es nicht leicht haben, seine Worte zu beweisen.»
«Man wird ihm glauben, weil er der Papst ist.»
Ein seltsames Lächeln huschte über Markus Rosins Gesicht.
Es erinnerte Alexander an ein Raubtier, das angesichts der sicheren Beute Befriedigung und Überlegenheit empfindet.
«Lange wird er nicht mehr Papst sein. Musolino und Tamberlani arbeiten bereits an seiner Absetzung.»
«Den Papst absetzen?», rief Alexander ungläubig. «Mit welcher Begründung?»
«Oh, da haben wir mehrere zur Auswahl. Gardien ist ein Häretiker, der die kirchliche Lehre ablehnt und sich mit dem Sohn Gottes auf eine Stufe stellt. Das allein würde genügen.
Schon seit Jahrhunderten wird in der Kirche die Lehre vertreten, dass ein häretischer Papst nicht rechtmäßiger Stellvertreter Gottes sein kann. Außerdem könnte man ihn schlichtweg für geisteskrank erklären.»
«Der Papst ist das Oberhaupt der Kirche. Es gibt keine Instanz, die befugt ist, über ihn zu richten.»
«Du hast Gott vergessen, mein Sohn. Er richtet über seinen Stellvertreter. Du kannst es im Johannes-Evangelium nachlesen: Wer nicht glaubt, der ist gerichtet. »
«Ein Putsch gegen den Papst also!» Vergeblich versuchte Alexander, sich die Folgen eines solchen Unternehmens auszumalen. «Das könnte die Kirche zerreißen.»
«Wenn einer die Kirche zerreißt, dann Gardien. Aber ich rechne nicht mit großen Schwierigkeiten. Schließlich gibt es noch ein formales Argument gegen die Fortsetzung seines Pontifikats. Kardinal Musolino hat die
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