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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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und wieder durchlebte, durchlitt, traf ihn die Bestürzung mit ganzer Wucht. Er wankte zum Bett und ließ sich niederfallen. Dabei berührte sein Arm einen kleinen weichen Körper, der hier nicht hingehörte. Elektrisiert zog er seinen Fund unter der Decke hervor und knipste die Nachttischlampe an.
    Er hielt einen Teddybären in der Hand. Winnie-the-Pooh mit Schlafmütze und Nachthemd und mit einem Kissen unter dem rechten Arm. Es war der Bär, den Elena auf der Piazza Navona erstanden hatte, ihr ständiger Begleiter.
    Bei genauerem Hinsehen bemerkte Alexander ein dünnes Röllchen, das zwischen Teddyarm und Kissen klemmte. Er zog es heraus, entrollte den Zettel. Drei Wörter waren mit Bleistift auf das Papier geschrieben: Warte auf mich.
    Immer wieder las er die verheißungsvolle Nachricht. Sie änderte die Lage völlig. Mutlosigkeit wich neuer Hoffnung, Verzweiflung dem Aufkeimen wilder Pläne.
    Er machte das Licht aus, blieb auf dem Bett sitzen und starrte, den Teddybären an sich gepresst, auf die dunklen Umrisse der Tür. So wartete er Stunde um Stunde.
    Ein leises Knacken im Türschloss, in seinen Ohren so laut wie eine Explosion, holte ihn aus dem Dämmerzustand, in den er gefallen war. Er riss die halb geschlossenen Augen auf und starrte auf die Tür, die langsam aufgeschoben wurde. Als der Spalt groß genug war, schlüpfte eine dunkle Gestalt ins Zimmer und schob die Tür vorsichtig wieder zu. Alexanders Hand schwebte über dem Knopf der Nachttischlampe.
    «Kein Licht!», zischte eine leise Stimme. «Es könnte uns verraten.»
    «Ja, ich weiß», seufzte Alexander bedauernd.
    Das schwache Sternenlicht, das durchs Fenster hereinfiel, entriss dem nachtdämmrigen Zimmer Elenas schlanke Gestalt, die näher kam. Sie trug wieder den Arbeitsoverall. Mit großen Augen sah sie Alexander erwartungsvoll an.
    Er stand auf und nahm sie in die Arme, drückte sie an sich. Es tat gut, ihre Wärme zu spüren. Er schloss die Augen und kostete ihre Nähe aus.
    Elena stöhnte auf und sofort lockerte er seinen Griff. Er hatte nicht an ihren wunden Rücken gedacht. Schon das Reiben der Kleidung an ihrer Haut – oder was davon übrig war – musste ihr unsägliche Schmerzen bereiten.
    «Was haben diese Schweine dir angetan?», fragte er erregt und musste sich zum Flüstern regelrecht zwingen.
    «Ich hatte keine Wahl. Nur indem ich ihnen die reuige Sünderin vorspielte, konnte ich sie täuschen. Ich war mir sicher, dass du kommen würdest, und habe die Zeit genutzt, um einen Fluchtweg auszuspähen. Dafür war die Schufterei auf der Baustelle sehr nützlich.»
    «Ich hätte nicht an dir zweifeln sollen, Elena. Aber das Bild vorhin in der Kapelle, ich …»
    Seine Rede erstarb. Er konnte nicht in Worte fassen, was ihn in jenem Augenblick bewegt hatte.
    Elena blickte über seine Schulter zum Bett, wo ein matter Lichtschein auf den Bären fiel. Sie hob ihn hoch, küsste seine schwarze Nase und schob ihn unter den Overall.

    «Mein kleiner Freund hat dir also die Nachricht überbracht.
    Ihn haben sie mir gelassen. Und das haben sie, Gott sei Dank, auch nicht gefunden.» Sie hielt den Bund mit Dietrichen hoch, mit dem sie auf der Piazza Bocca della Verità das Tor zur Kirche Santa Maria in Cosmedin geöffnet hatte. «Ohne die Schlüssel wäre ich nie aus meiner Zelle und in dein Zimmer gekommen. Und jetzt werden sie uns dabei helfen, dieses gastliche Haus zu verlassen.»
    Sie hatte ihre Zeit auf Brecqhou gut genutzt. Das erkannte Alexander, als sie ihn zielsicher durch das halbdunkle, nachtstille Schloss führte. Mehrmals mussten sie sich vor Wächtern verstecken, bis sie schließlich durch eine schmale Tür, die Elena mit einem Dietrich öffnete, ins Freie gelangten. Auf einen Hof, der von hohen Mauern umgeben war.
    «Dienstboteneingang», flüsterte sie. «Und das ist ein Wirtschaftshof. Ein Gang führt von hier in die Nähe der Baustelle. Und dort habe ich eine Pforte in der Außenmauer entdeckt, zu der einer meiner Schlüssel passt. Auf diesem Weg dürften wir keinen Wachen begegnen.»
    Sie behielt Recht. Wirklich glauben konnte er es erst, als sie vor der südlichen Schlossmauer standen, im Freien! Vor ihnen stieg die Insel zur Spitze hin in einem sanften Bogen an. In einigen der frei stehenden Häuser brannte Licht. Auf dem unbeleuchteten Hubschrauberlandeplatz zeichneten sich verschwommen die Umrisse eines Helikopters gegen den Himmel ab.
    «Schade, dass ich so ein Ding nicht fliegen kann», brummte Alexander. «Das wäre der

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