Der Engelspapst
zitterte nach wie vor am ganzen Leib, ein dicker Schweißfilm bedeckte seine Stirn und sein Gesicht. Er schien sich vollkommen verausgabt zu haben.
Als Shafqat den Geschwächten von der anderen Seite stützte, fiel Alexanders Blick auf Leas Mutter. Auch sie zitterte am ganzen Körper. Aber das war verständlich, hatte sie sich doch aus ihrem Rollstuhl erhoben. Mit ungelenken Bewegungen trat sie zu ihrer Tochter und schloss sie in die Arme, wie es der Papst zuvor mit ihr getan hatte.
Fotografen und Kameramänner arbeiteten im Akkord, und der Saal war erfüllt von jubelnder Raserei. Jemand schrie: «Ein Wunder! Ein Wunder!»
Auch Utz Rasser hatte seinen Posten auf der Bühne verlassen.
Er und Alexander stützten den geschwächten Papst auf dem Weg zum Hinterausgang. Don Shafqat setzte Fäuste und Ellbogen ein, um ihnen einen Weg durch die Pressemeute zu bahnen. Als sie den Saal verließen, tobte die Menge hinter ihnen noch immer vor Begeisterung.
Die Wagenkolonne stand inzwischen am Hinterausgang der Nervi-Halle. Ferdinando Zanni hielt eine Tür des gepanzerten Mercedes auf und sah den erschöpften Papst besorgt an.
Willenlos wie eine Puppe ließ Custos sich in den Fond des Wagens bugsieren.
Shafqat setzte sich neben ihn und herrschte Zanni an: «Los, fahren Sie schon! Seine Heiligkeit braucht Ruhe. Und die Presse kann jeden Moment hier auftauchen.»
Der Mercedes rauschte in Richtung Apostolischer Palast davon.
Würdenträger der Kurie traten aus dem Hinterausgang. Die Kardinäle Musolino und Tamberlani führten ein erregtes Gespräch mit Monsignore Wetter-Dietz.
«Wir müssen eine Erklärung abgeben», stammelte der Pressesprecher. «Mein Gott, die Sache ist live über acht Fernsehsender gegangen. Der Rest der Welt wird es spätestens in den Abendnachrichten sehen. Eine offizielle Presseerklärung ist unumgänglich.»
«Sicher, aber nicht sofort.» Musolino klang, als müsse er sich gewaltsam zu Ruhe zwingen. «Wir werden ohne Hast überlegen, wie wir den Vorfall erklären. Jetzt nur keine Panik!»
«Sie haben gut reden, Eminenz», erwiderte Wetter-Dietz verbissen.
«Ich rufe Sie an, Monsignore.» Musolino stieg in den dunkelblauen Lancia, in dem Tamberlani bereits Platz genommen hatte. Der Chauffeur vom vatikanischen Fahrdienst wollte die Tür schon zuschlagen, da blickte der Staatssekretär Alexander an. «Adjutant Rosin, begleiten Sie uns! Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.»
«Aber … ich habe Dienst!»
«Als Kardinalstaatssekretär bin ich Ihr oberster Vorgesetzter, abgesehen von Seiner Heiligkeit, oder?»
«Ja, Eminenz.»
Musolino bedachte ihn mit einem kalten Lächeln. «Dann nehmen Sie es als Befehl, wenn Sie wollen. Steigen Sie ein!»
Alexander und Kardinal Musolino durchschritten endlose Säle voller christlicher Kunstwerke; man konnte den Eindruck gewinnen, das Staatssekretariat sei ein Teil der Vatikanischen Museen. Auf dem Damasushof hatte Musolino sich von Tamberlani verabschiedet und war mit Alexander in den Trakt des Apostolischen Palastes getreten, der im dritten Stock die Räumlichkeiten des Staatssekretariats beherbergte.
Bis jetzt hatte er kein einziges Wort mit dem Gardisten gesprochen. Das änderte sich, sobald sie in seinem Büro waren, das im Vergleich mit den Prachtsälen davor recht nüchtern wirkte. Ein großer Schreibtisch voller Akten und Papierstapel, ein Computer und mehrere Telefone zeigten an, dass in der Schaltzentrale der päpstlichen Verwaltung nicht repräsentiert, sondern gearbeitet wurde.
Musolino öffnete einen Wandschrank, der sich als kleine, aber feine Bar entpuppte, und ging mit einer Flasche Weinbrand und zwei Gläsern zu einer Sitzgruppe mit einem Glastisch. Dahinter stand eine einsame Zimmerkonifere. Er bot Alexander einen Platz an und setzte sich selbst, nachdem er ihnen eingeschenkt hatte.
Als der Kardinal ihm ein Glas zuschob, hob Alexander abwehrend die Hand. «Danke, Eminenz, aber ich bin im Dienst.»
«Ich auch. Trotzdem brauche ich einen Schluck auf den Schreck. Sie sehen so aus, als ginge es Ihnen nicht anders. Also trinken Sie schon.»
Alexander trank und genoss die Wärme, die sich in seinem Innern ausbreitete. Die Anspannung, die er seit der Begegnung des Papstes mit der gelähmten Frau gespürt hatte, fiel von ihm ab.
Er lehnte sich in dem Lederpolster zurück und hätte fast vergessen, dass der Mann, der ihm gegenübersaß und sein Glas in großen Zügen leerte, der Stellvertreter des Heiligen Vaters war.
Es klopfte und ein
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