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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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irgendeinem Grund gelang es ihm nicht, sich ehrlich über die in Aussicht gestellte Beförderung zu freuen.
    Der Kardinal beugte sich vor wie ein Verschwörer. «Da wir gerade von Vertrauen reden, welchen Eindruck haben Sie von dem Vorfall in der Audienzhalle? Ganz unter uns natürlich, Sie können aufrichtig sein.»
    «Ich verstehe nicht recht. Sie waren doch dabei, Eminenz.»
    «Aber Sie haben den Heiligen Vater aufgefangen, standen ganz nahe bei ihm, haben ihn angefasst!»
    «Ja … und?»
    «Haben Sie eine seltsame Ausstrahlung gespürt, eine Kraft, die von ihm ausging?»
    Allmählich verstand Alexander. «Sie meinen, ob es sich um eine Wunderheilung gehandelt hat?»
    «Das fragt sich derzeit die ganze Welt. Und natürlich auch ich.
    Schließlich muss ich Monsignore Wetter-Dietz sagen, was er der Öffentlichkeit mitteilen soll. Ist der Papst ein Mann mit besonderen Kräften? Oder war die Frau gar nicht so krank, wie sie getan hat?»
    «Ich denke, letzteren Punkt wird man durch ärztliche Atteste klären können.»
    «Sicher. Aber was ist mit dem Heiligen Vater?»
    «Das Einzige, was ich gespürt habe, war seine große Erschöpfung. Er war auf geradezu beängstigende Weise geschwächt.»
    «Und sonst nichts?»
    «Nein», antwortete Alexander ehrlich.
    Musolinos Kiefer mahlten, sein Blick ging durch Alexander hindurch. Offenbar stellte die Antwort ihn nicht zufrieden.
    Schließlich fragte er: «Was war eigentlich vor fünf Tagen?»
    «Wie meinen Sie das, Eminenz?»
    «Seine Heiligkeit ließ Sie in sein Privatbüro kommen. Sie waren sehr lange bei ihm.»
    «Das stimmt.»
    «Ich weiß, dass es stimmt.» Musolino wurde lauter. «Warum waren Sie so lange dort?»
    «Das darf ich nicht sagen, Eminenz.»
    Für einen Augenblick sah es so aus, als wollte der Kardinal aufspringen und ihn anbrüllen. Aber er beherrschte sich und fragte mit mühsam unterdrückter Erregung: «Warum dürfen Sie mir das nicht sagen, Adjutant Rosin?»
    «Weil ich Seiner Heiligkeit versprechen musste, Stillschweigen zu bewahren.»
    «Als Kardinalstaatssekretär bin ich die rechte Hand des Heiligen Vaters. Mein Wort kommt gleich nach seinem.»
    Alexander hielt dem bohrenden Blick stand. «Sie sagen es, Eminenz.»
    Musolino lief genauso rot an wie zuvor Failoni. Seine Mundwinkel zuckten, die Augen weiteten sich. Sekundenbruchteile später hatte er sich wieder unter Kontrolle.
    Er erhob sich und sagte kalt: «Ihre Treue zum Heiligen Vater ehrt Sie, Adjutant Rosin. Das ist der Geist, von dem schon vor fünfhundert Jahren der Gardist Albert Rosin erfüllt war. Ich werde es mir merken. Sollten Sie in irgendeiner Form Hilfe benötigen oder sich mir anvertrauen wollen, haben Sie keine Scheu. Ich bin immer für Sie da.»
    Alexander stand auf und verabschiedete sich mit militärischer Knappheit. Unter den gegebenen Umständen konnte er mit dieser freundlichen Variante eines Rauswurfs mehr als zufrieden sein.
    Das Hilfsangebot des Staatssekretärs stimmte ihn angesichts der frostigen Wendung, die das Gespräch genommen hatte, allerdings skeptisch. Zumal er Ähnliches schon von Oberstleutnant von Gunten und von Monsignore Imhoof gehört hatte, und natürlich vom Heiligen Vater. Für seinen Geschmack gab es im Vatikan entschieden zu viele Menschen, die ihm behilflich sein wollten, ohne dafür einen erkennbaren Grund zu haben.

6
    Mittwoch, 6. Mai, nachmittags
    Marcel Daneggers Beisetzung war nur ein Abglanz der Trauerfeier für Heinrich und Juliette Rosin, doch die Schweizergarde erwies auch dem toten Adjutanten ihren Respekt.
    Die Särge des ermordeten Ehepaars waren, feierlich in der Peterskirche aufgebahrt, von etwa zwanzig Kardinälen und über dreißig Bischöfen umringt gewesen, und Kardinal Musolino höchstpersönlich hatte die Totenmesse zelebriert. Alexander hatte das Ganze erlebt wie einen seiner häufigen Träume, in denen er dem Tod begegnete: intensiv, bedrückend und doch unwirklich, als wäre er von den Särgen mit den Toten und von den vielen hundert Trauergästen durch eine dicke gläserne Wand getrennt. Er hatte Verwandte gesehen, die ihm nicht näher standen als die gesichtslosen Touristen, die er beim alltäglichen Wachdienst kontrollieren musste. Von einigen entfernten Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen wusste er kaum die Namen. Ihre Anwesenheit hatte ihm nur umso schmerzlicher bewusst gemacht, dass Heinrich und Juliette die beiden letzten Menschen gewesen waren, denen er sich enger verbunden gefühlt hatte. In die Leere des Verlustes

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