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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Luft.«
    Simon nickte. Binabik hatte recht. Die ganze Gegend hier erinnerte ihn an den Thisterborg, jenen spukhaften Hügel zwischen dem Großen Wald und Erchester, auf dessen Anhöhe die Zornsteine standen … dort, wo die Nornen König Elias das Schwert Leid überreicht hatten …
    Er dachte ungern an diese Nacht zurück, aber aus irgendeinem Grund schien die Erinnerung ihm plötzlich wichtig. Da war etwas, das sich bemerkbar machen wollte, verstreute Gedanken, die danach verlangten, in einen Zusammenhang gebracht zu werden. Die Nornen. Die Rote Hand. Der Thisterborg …
    »Was ist das?« Miriamel schrie erschrocken auf. Simon fuhr zusammen. Heimfinder unter ihm scheute und rutschte ein Stückchen im Schlamm, bis sie wieder Halt fand.
    Vor ihnen war ein dunkler, wild herumfuchtelnder Schemen aus dem Nebel aufgetaucht. Binabik beugte sich über Qantaqas Nacken und spähte. Nach einem langen, angespannten Moment lächelte er. »Nichts. Ein Lumpen, erfasst vom Luftzug. Ein verlorenes Hemd, glaube ich.«
    Auch Simon kniff die Augen zusammen. Der Troll hatte recht. Es war nur ein zerfetzter Kleiderrest, der sich um einen Baum geschlungen hatte. Die Ärmel flatterten im Wind wie Wimpel.
    Erleichtert schlug Miriamel das Zeichen des Baumes. Sie ritten weiter. Hinter ihnen verschwand die Stadt so schnell und vollständig im dichten Laubwerk, als hätte der nasse, stumme Wald sie verschluckt.Abends lagerten sie in einer geschützten kleinen Senke am Fuß des Hangs, der das Tal nach Westen abschloss. Binabik schien mit sich selbst beschäftigt. Simon und Miriamel schwiegen.
    Sie nahmen eine wenig befriedigende Mahlzeit ein und wechselten ein paar belanglose Worte. Dann zog sich jeder für sich ins Dunkel zurück, um zu schlafen.
    Wieder empfand Simon die schmerzliche Kluft, die sich zwischen ihm und Miriamel aufgetan hatte. Er wusste immer noch nicht genau, wie er sich zu den Dingen stellen sollte, die sie ihm erzählt hatte. Sie war keine Jungfrau mehr, und das aus eigenem Willen. Das war unerfreulich genug, aber die Art, wie sie es ihm mitgeteilt, es ihm entgegengeschleudert hatte, als wollte sie ihn bestrafen, war noch viel verwirrender. Es machte ihn rasend. Warum war sie manchmal freundlich und dann wieder so garstig? Er hätte gern geglaubt, dass sie das übliche Spiel der jungen Frauen am Hof mit ihm trieb, aber dazu kannte er sie zu gut. Für solch leichtfertiges Getändel hatte sie nichts übrig. Die einzige Lösung für dieses Rätsel war, dass sie ihn wirklich gern zum Freund gehabt hätte, aber Angst davor hatte, er könnte mehr wollen.
    Und ich will auch mehr, dachte er unglücklich. Auch wenn ich es nie bekomme.
    Er schlief lange nicht ein, sondern lag wach und lauschte dem Wasser, das durch das Laub auf den Waldboden tropfte. In seinen Mantel gekuschelt, stocherte er in seinem Kummer herum wie in einer Wunde – als wollte er untersuchen, wie stark der Schmerz war.
     
    Im Lauf des folgenden Nachmittags ließen sie das Tal hinter sich und stiegen wieder bergan. Noch immer breitete sich zu ihrer Rechten der Wald wie eine große grüne Decke aus, die erst am Horizont verschwand. Vor sich hatten sie das hügelige Grasland, das die Alte Waldstraße von der Landzunge am Swertclif trennte.
    Simon konnte den Wunsch nicht unterdrücken, die Reise mit Binabik und Miriamel hätte größere Ähnlichkeit mit jenen ersten wundervollen Tagen, in denen sie zusammen gereist waren, einst, vor so vielen Monaten, als sie Geloës Haus am See verließen. Damalswar der Troll voller Lieder und Scherze gewesen, und selbst die Prinzessin, die sich als Magd Marya ausgab, hatte munter und lebensfroh gewirkt. Jetzt marschierten die drei vorwärts wie Soldaten, die in eine Schlacht ziehen, ohne auf den Sieg zu hoffen, jeder versunken in seine eigenen Gedanken und Ängste.
    Das leere, wellige Land im Norden des Kynslagh war ohnehin nicht geeignet, eine fröhliche Stimmung hervorzurufen. Es war mindestens genauso öde und leblos wie das Hasutal, ebenso nass, aber ohne die Verstecke und das Gefühl von Sicherheit, die das dichtbewaldete Tal geboten hatte. Simon fühlte sich auf unangenehme Art allen Blicken ausgesetzt und musste sich über den erstaunlichen Mut – oder die Dummheit oder beides – wundern, der sie so gut wie waffenlos mitten in den Vorhof des Hochkönigs geführt hatte. Wenn die dunklen Zeiten vielleicht einmal doch vorbeigingen und dann auch nur eine winzige Spur von ihnen und ihrer Geschichte übrigblieb, würde man

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