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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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solche anstrengenden Taten bedarf ich des Schlafs.«
    Er ließ sich, an Qantaqa geschmiegt, nieder und zog die Kapuze über den Kopf. Miriamel starrte weiter ins Lagerfeuer. Simon sah ihr eine Zeitlang verlegen zu, wickelte sich dann in seinen Mantel und legte sich hin. »Gute Nacht, Miriamel«, sagte er, »ich hoffe … ich hoffe …«
    »Ich auch.«
    Simon legte den Arm über seine Augen und erwartete den Schlaf.
     
    Er träumte, er säße auf dem Engelsturm, hoch oben wie ein Wasserspeier. Neben ihm bewegte sich etwas.
    Es war der Engel selbst, ein weiblicher Engel, der offenbar seine Turmspitze verlassen und sich zu ihm gesetzt hatte. Er legte seine kühlen Finger auf Simons Handgelenk und sah der kleinen Leleth merkwürdig ähnlich, nur dass er aus rauher Bronze bestand und von grüner Patina bedeckt war.
    »Es geht tief hinunter.« Die Stimme des Engels war sehr schön, sanft und stark zugleich.
    Simon blickte auf die winzigen Dächer des Hochhorsts unter sich. »Ja.«
    »Das meine ich nicht.« Im Ton des Engels lag milder Tadel. »Ich meine, bis dort hinunter, wo die Wahrheit liegt. Unten am Grunde, wo die Dinge ihren Anfang nehmen.«
    »Das verstehe ich nicht.« Simon fühlte sich seltsam leicht, als könnte ihn der nächste Windstoß vom Turmdach blasen und durch die Luft wirbeln wie ein Blatt. Der Griff des Engels um seinen Arm schien das Einzige zu sein, das ihn am Platz hielt.
    »Von hier oben sieht alles Irdische klein aus. Das ist eine Sehweise, und sie ist gut. Aber sie ist nicht die einzige. Je tiefer man nach unten geht, desto schwerer ist es, die Dinge zu begreifen – und umso wichtiger sind sie. Du musst ganz tief gehen.«
    »Ich weiß nicht, wie man das macht.« Simon starrte dem Engel ins Gesicht, das trotz seiner Vertrautheit noch immer leblos wirkte, ein Gebilde aus kaltem Metall. In den starren Zügen lag keine Spur von Freundschaft oder Güte. »Wohin soll ich gehen? Wer wird mir helfen?«
    »Tief. Du.« Unvermittelt erhob sich der Engel. Als seine Hand ihn losließ, merkte Simon, wie er vom Turm wegzuschweben begann. Er griff nach einem Dachvorsprung und hielt sich fest. »Es ist sehr schwer für mich, mit dir zu sprechen«, sagte der Engel. »Vielleicht kann ich es nicht noch einmal tun.«
    »Warum sagst du mir nicht einfach, was du meinst?«, rief Simon. Seine Füße trieben bereits über dem Dachrand; der Körper flatterte wie ein Segel und wollte ihnen folgen. »Sag es doch!«
    »Es ist nicht so leicht.« Der Engel drehte sich um und stieg langsam in die Luft, wieder hinauf zu seinem Sockel auf der Turmspitze. »Wenn ich wiederkommen kann, werde ich kommen. Aber es ist nur möglich, über weniger wichtige Dinge ohne Umschweife zu sprechen. Die größten Wahrheiten liegen im Inneren, immer im Inneren. Sie können niemandem geschenkt werden. Man muss sie finden.«
    Simon fühlte, wie ihn etwas fortzog. Langsam wie ein Wagenrad, das sich von der Achse gelöst hat, begann er sich zu drehen und flogdavon. Himmel und Erde zogen im Wechsel an ihm vorüber, als wäre die Welt ein Kinderball und er darin eingeschlossen, ein Ball, den ein rachsüchtiger Fußtritt ins Rollen gebracht hatte …
    Er erwachte schweißgebadet im matten Mondlicht. Über ihm hing die dunkle Masse des Swertclifs wie eine Warnung.
     
    Am nächsten Tag war Simon sich seiner Sache weit weniger sicher als am Abend zuvor. Während sie sich für den Aufstieg rüsteten, ging ihm sein Traum im Kopf herum und beunruhigte ihn. Wenn Amerasu recht gehabt hatte und Simon wirklich offener für die Straße der Träume geworden war, konnten dann die Worte des Traumengels etwas bedeuten? Wie sollte er tiefer gehen? Er wollte einen hohen Berg erklettern! Und welche Antwort lag in seinem Inneren? Ein Geheimnis, von dem er selbst nichts wusste? Er konnte es sich einfach nicht zusammenreimen.
    Als die Sonne am Himmel warm auf ihre Köpfe schien, brachen die drei auf. Den ersten Teil des Morgens ritten sie durch die vorgelagerten Hügel bergan und erreichten die unteren Hänge des Swertclifs. Nach und nach blieben die niedrigeren, sanfteren Steigungen hinter ihnen zurück, und sie mussten zu Fuß gehen und die Pferde führen.
    Sie hielten Rast, um ein zweites Frühstück einzunehmen, etwas von dem Dörrobst und dem Brot, das Binabik aus Josuas Lager mitgebracht hatte.
    »Ich denke, es ist Zeit, die Pferde zurückzulassen«, sagte der Troll. »Wenn Qantaqa weiter mitkommen will, klettert sie besser allein als mit mir auf dem

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