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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Rücken.«
    Simon hatte gar nicht daran gedacht, dass er Heimfinder nicht mitnehmen könnte. Er hatte gehofft, es würde einen Weg geben, auf dem man bis zum Gipfel reiten könnte. Aber der einzige ebene Pfad lag auf der anderen Seite des Swertclifs – der Begräbnisweg, der über die Höhe der Landzunge nach Erchester und dem Hochhorst führte.
    Binabik hatte ein längeres Seil in seiner Satteltasche und opferte so viel davon, dass Miriamel und Simon ihre Tiere an langer Leine an einen niedrigen, vom Wind gebeugten Baum binden konnten, der in unmittelbarer Nähe eines kleinen natürlichen Felsenteichs mit Regenwasserstand. Dort hatten die beiden Pferde für den halben Tag, den sie warten sollten, und für länger genug Platz zum Grasen. Simon legte das Gesicht an Heimfinders Hals und versprach ihr leise, so schnell wie möglich wieder bei ihr zu sein.
    »Muss sonst noch etwas getan werden?«, fragte Binabik. Simon blickte zur Zinne des Swertclifs auf und wünschte, ihm würde etwas einfallen, das den Aufstieg noch eine Weile verzögerte. »Dann wollen wir gehen«, erklärte der Troll.
    Die Ostflanke des Kliffs war nicht so steil, wie es aus der Entfernung den Anschein hatte. Indem sie in schräger Linie kletterten, konnten die drei manchmal sogar aufrecht gehen, obwohl sie sich meist auf allen vieren fortbewegten, vorsichtig, von Griff zu Griff. Qantaqa bildete die Nachhut. Nur einmal, in einem schmalen Spalt zwischen der Felswand und einem davor stehenden, einzelnen Block, hatte Simon Angst zu stürzen. Aber seine Gefährten und er quetschten sich hindurch, und Qantaqa, die ihren eigenen wölfischen Weg gefunden hatte, wartete auf der anderen Seite und beobachtete mit heraushängender, rosiger Zunge, anscheinend amüsiert, ihre Anstrengungen.
    Einige Stunden nach Mittag verdunkelte sich der Himmel, und die Luft wurde drückend. Ein leichter Regen fegte über die Felswand, durchnässte die Kletterer und ließ Simon besorgt innehalten. Dort, wo sie sich jetzt befanden, war es nicht so schlimm, aber er hatte den Eindruck, dass der Anstieg schon sehr bald schwerer werden würde, und der Gedanke, über die steil aufragenden Felsen klimmen zu müssen, wenn sie glitschig vom Regen waren, hatte nichts Angenehmes. Doch der kurze Guss war bald vorbei, und obwohl die Wolken weiterhin drohend über ihren Köpfen hingen, war wohl vorläufig kein größeres Unwetter zu erwarten.
    Tatsächlich wurde ihre Weg bald steiler, aber es ging besser, als Simon befürchtet hatte. Binabik führte sie, und der kleine Mann war so trittsicher wie eins seiner Qanucschafe. Nur einmal benutzten sie das Seil, um sich zur Sicherheit aneinanderzubinden, als sie über eine lange, abfallende Geröllhalde aus blankem Gestein von einer grasigen Felsplatte zur nächsten springen mussten. Allen dreien gelang der Sprung, obwohl Miriamel sich die Hände aufschürfte undSimon sich beim Aufkommen hart das Knie prellte. Qantaqa schien auch diesen Teil des Weges lächerlich einfach zu finden.
    Als sie auf der anderen Seite innehielten, um zu verschnaufen, bemerkte Simon, dass er wenige Ellen unter einem Fleck stand, auf dem lauter weiße Blumen wuchsen, Sternblumen, deren Blütenblätter wie Schneeflocken aus dem dunkelgrünen Gras hervorleuchteten. Diese Entdeckung machte ihm Mut. Er hatte nur wenige Blumen gesehen, seit Miriamel und er aus Josuas Lager fortgeritten waren. Selbst die Winterkappen oder Frayjasfeuer, die man zu dieser kalten Jahreszeit sonst erwarten konnte, hatte es kaum gegeben.
    Der Aufstieg über die Flanke des Swertclifs dauerte länger, als sie zunächst angenommen hatten. Als sie die letzte, lange Erhebung hinaufkeuchten, stand die Sonne schon tief am Himmel und glänzte hinter ihrem Wolkenvorhang nur noch eine Handbreit über dem Horizont. Sie waren inzwischen alle krumm und lahm und außer Atem. Auf dem letzten Stück hatten sie so oft die Hände benutzt, um das Gleichgewicht zu halten und sich abzustützen, dass Simon der Gedanke kam, wie sehr sich doch Qantaqa wundern müsste, sie alle so vierfüßig zu sehen wie sich selbst. Als sie endlich den breiten Streifen Gras betraten, der den Gipfel säumte, und sich wieder aufrichten konnten, brach ein Sonnenstrahl durch die Wolken und tauchte die Kuppe des Berges in fahles Licht.
    Vor ihnen lagen die Grabhügel der Hochhorstkönige, nur ein paar Hundert Ellen von der Stelle entfernt, an der sie standen und noch immer nach Luft rangen. Bis auf einen waren die Hügel zu grasigen Buckeln

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