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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mit Knochen, und der Himmel sei tagelang schwarz gewesen von Aasvögeln.
    Und wozu das Ganze? , fragte sich Isgrimnur. Weniger als ein Menschenleben ist vergangen, und schon stehen wir wieder an dieser Stelle und bereiten den Geiern ein neues Fest. Immer und immer wieder ist es das Gleiche. Mir wird übel davon.
    Unbehaglich hockte er im Sattel und schaute in den Pass hinein. Unter ihm standen die wartenden Reihen der jüngsten Verbündeten des Prinzen, und die Banner ihrer Häuser leuchteten hell in der Mittagssonne. Es war das reinste Vogelhaus mit Gänsen, Fasanen, Seeschwalben und Moorhühnern. Seriddans Nachbarn hatten nicht lange gezögert, seinem Beispiel zu folgen. Niemand schien glücklich mit Herzog Benigaris, und angesichts des wiedererstandenen Camaris konnte keiner gleichgültig bleiben.
    Isgrimnur merkte erstaunt, dass ein Kreis sich zu schließen begann.Ein längst Totgeglaubter führte Josuas Heer, und die Entscheidungsschlacht fand genau dort statt, wo Priester Johan, Josuas Vater und Camaris’ bester Freund, seinen größten Sieg errungen hatte. Das sollte ein gutes Vorzeichen sein, dachte Isgrimnur … aber stattdessen hatte er das Gefühl, die Vergangenheit strecke die Hand aus, um die Gegenwart zu erwürgen, als sei die Geschichte ein riesiges, eifersüchtiges Ungeheuer, das alles Folgende zur unseligen Nachahmung ihrer selbst zwingen wolle.
    Das ist kein Leben für einen alten Mann. Der Herzog seufzte. Sludig, der hingerissen den Verlauf der Schlacht beobachtete, achtete nicht darauf. Um einen Krieg zu führen, muss man glauben, dass man damit etwas erreicht Wir kämpfen, um Johans Reich zu retten, vielleicht sogar die ganze Menschheit … aber glaubt man das nicht immer? Dass alle Kriege sinnlos sind – außer dem, den man selbst gerade führt?
    Er spielte mit seinen Zügeln. Sein Rücken war steif und tat ihm jetzt schon weh, obwohl er eigentlich noch nichts geleistet hatte. An seiner Seite hing Kvalnir, unberührt, seit er die Klinge in den schlaflosen Stunden der letzten Nacht geschärft und poliert hatte.
    Ich bin einfach müde, dachte er. Ich will Elvritshalla wiederhaben. Ich will meinen Enkeln beim Spielen zusehen und mit meiner Frau am Gratuvask spazieren gehen, wenn das Eis bricht. Aber nichts davon wird passieren, bevor das verfluchte Kämpfen nicht ein Ende gefunden hat. Und darum tun wir es, entschied er. Weil wir hoffen, dass wir hinterher in Frieden leben können. Aber das werden wir nie … niemals …
    Sludig schrie auf. Isgrimnur hob erschrocken den Kopf, aber der Ruf seines Gefolgsmanns war ein Freudenruf gewesen.
    »Seht! Camaris und die Reiterei greifen an!«
    Als kein Zweifel mehr daran bestand, dass die Bogenschützen Seriddans metessanischen Schildwall nicht aus der Passmitte verjagen konnten, hatte Varellan von Nabban einen Vorstoß seiner Ritter befohlen. Sobald jedoch Varellans Truppen begonnen hatten, die Männer des Prinzen zurück ins Tal zu drängen, waren Camaris und Hotvigs Thrithingreiter von ihren Bergpfaden aus Varellans zahlenmäßig überlegener Streitmacht in die Flanke gefallen.
    »Wo ist Camaris?«, murmelte Sludig. »Ah! Dort! Ich sehe seinen Helm!«
    Auch Isgrimnur sah ihn. Der Seedrache schien aus dieser Entfernung kaum mehr als ein flammendgoldener Fleck, aber sein Träger hatte sich in den Bügeln hochgereckt. Er war der Mittelpunkt einer immer größeren Verwirrung, in der die Nabbanai-Ritter sich hastig bemühten, nicht in Dorns schwarze Reichweite zu geraten.
    Prinz Josua, der das Geschehen von einer etwa hundert Ellen unterhalb von Isgrimnurs und Sludigs Standort gelegenen Stelle beobachtete, lenkte jetzt Vinyafod auf sie zu. »Sludig!«, rief er. »Sagt Freosel, wenn ich den anderen das Zeichen zum Angriff gebe, soll er seine Leute noch so lange warten lassen, bis er zehnmal seine Finger durchgezählt hat.«
    »Jawohl, Hoheit.« Sludig riss sein Pferd herum und trabte zu Freosel hinüber, der mit dem Rest von Josuas »Burgwächtern« voll ungeduldiger Erwartung ausharrte.
    Der Prinz ritt den Hang hinauf, bis er Isgrimnur erreicht hatte. »Und zuletzt merkt man doch, dass Varellan noch jung ist. Er zeigt allzu großen Eifer.«
    »Es gibt schlimmere Fehler bei einem Anführer«, antwortete Isgrimnur, »aber Ihr habt recht. Er hätte sich damit begnügen sollen, die Mündung des Passes zu halten.«
    »Aber er glaubte uns schwach zu finden, weil er uns gestern zurückgeworfen hat.« Josua spähte zum Himmel. »Jetzt fühlt er sich verpflichtet,

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