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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gelassen. Noch immer konnte er seine Hände nicht richtig bewegen. Er hielt sich mit den Ellenbogen fest und achtete kaum auf den brüllenden Schmerz in den Gelenken. Er wollte nie wieder in dieses Wasser.
    »Wir müssen …«, hörte er Guthwulf sagen, dann schnappte der Blinde nach Luft, und etwas fiel schwer gegen Simon, der vor Schreck abrutschte und sich mit knapper Not am Rand der Rinne festklammern konnte.
    »Was geht hier vor?« Inchs Stimme war ein grausiges, grollendes Brummen. »Hände weg von meinem Küchenjungen!«
    Simons Hoffnung sank. Vor Entsetzen drehte sich sein Magen um. Wie war das möglich? Es war alles falsch! Sollte er wirklich vom Tod, aus dem Nichts, zurückgekehrt sein, nur damit Inch ein paar Minuten zu früh hier erschien – konnte das Schicksal ihm einen so ungeheuerlichen Streich spielen?
    Guthwulf stieß einen erstickten Schrei aus, dann hörte Simon nur noch heftiges Platschen. Ganz langsam ließ er sich wieder ins Wasser gleiten, bis seine Füße den glitschigen Boden der Rinne berührten. Die Verlagerung seines Gewichts auf die wunden Beine jagte ihm eine blendende Wolke aus schwarzem Feuer durch Rücken und Kopf, aber er stand. Er wusste, dass er nach seinen Folterqualen eigentlich zu schwach sein musste, überhaupt ein Glied zu rühren, aber ihm war ein Rest der Kraft geblieben, die er Maegwins Opfer verdankte; er fühlte sie in sich glühen wie ein schon heruntergebranntes Feuer. Er zwang sich, im trägen Wasser stehen zu bleiben, bis er wieder sehen konnte.
    Inch war in die Rinne hineingewatet und stand nun mitten darin,bis zum Gürtel im Wasser. Er sah aus wie ein Ungeheuer aus den Sümpfen. Im trüben Fackelschein erkannte Simon Guthwulf, der plötzlich nach oben schoss und wild zappelnd versuchte, sich aus dem Griff des Aufsehers zu befreien. Inch packte den Kopf des Blinden und drückte ihn wieder nach unten.
    »Nein!« Simons erstickte Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Wenn er sie trotz der kurzen Entfernung überhaupt hörte, achtete Inch nicht darauf. Trotzdem kam Simon die tiefe Stille sonderbar vor. War er taub? Nein, er hatte sowohl Guthwulf als auch Inch gehört. Warum erschien ihm die Höhle so stumm?
    Guthwulfs Arme fuhren ruckartig in die Höhe, aber der Rest seines Körpers blieb unter dem schwarzen Wasser.
    Simon stolperte auf ihn zu und ruderte mit den Armen gegen die langsame Strömung. Das große Rad hing bewegungslos über dem Wasserlauf. Als er es sah, begriff Simon auch, warum in der Höhle kein Laut zu hören war: Guthwulf hatte es irgendwie geschafft, das Rad anzuheben, um Simon loszuschneiden.
    Als er sich Inch näherte, begann es in der Höhle heller zu werden, als hätte das Morgenrot einen geheimen Weg durch die Felsen gefunden. Schattenhafte Gestalten kamen heran, von denen einige Fackeln trugen. Simon hielt sie zunächst für Soldaten oder die Schergen Inchs, aber als sie besser zu sehen waren, erkannte er ihre großen, angstvollen Augen. Die Schmiedeknechte waren erwacht und wagten sich zögernd hervor, um festzustellen, was den Aufruhr verursachte.
    »Hilfe!«, krächzte Simon. »Helft uns! Er kann euch nicht alle aufhalten!«
    Die zerlumpten Männer blieben stehen, als genügten bereits Simons Worte, sie zu Verrätern zu machen, die Inchs Strafe verdienten. Zu eingeschüchtert, um miteinander zu tuscheln, starrten sie auf die Rinne.
    Inch kümmerte sich weder um Simon noch um seine Arbeitssklaven. Er hatte Guthwulf kurz auftauchen lassen – keuchend und spuckend – und drückte ihn jetzt wieder unter Wasser. Simon hob die Hände, noch taub von der langen Zeit in Fesseln, und schlug auf Inch ein, so hart er konnte. Ebenso gut hätte er einen Berg tretenkönnen. Inch drehte sich um und betrachtete ihn. Das narbige Gesicht des Aufsehers war merkwürdig leer, als fordere der Gewaltakt, mit dem er gerade beschäftigt war, seine ganze Aufmerksamkeit.
    »Küchenjunge«, dröhnte Inch. »Du läufst nicht fort. Du bist der Nächste.« Er streckte die riesige Pranke aus und riss Simon nach vorn. Dabei ließ er den ertrinkenden Guthwulf so lange los, dass er Simon mit beiden Händen hochheben und ihn aus der Rinne heraus- und auf den harten Steinboden schleudern konnte. Simon blieb die Luft weg. Der Schmerz war so unbeschreiblich, dass alles Vorherige davon übertroffen wurde. Einen Augenblick konnte er seinen zerschundenen Körper zu keiner Bewegung mehr zwingen.
    Er fühlte, wie jemand sich über ihn beugte. Es musste Inch sein, der sein Werk zum

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