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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schuhe.«
    Obwohl Simon immer noch wütend war, musste er laut auflachen.
    »Wahrscheinlich sucht Ihr wirklich nur ein Paar Schuhe oder ein Kleid oder sonst etwas dieser Art. Das würde mir ganz recht geschehen– mitten im Krieg von der Erkynwache getötet zu werden, weil ich Schuhe stehlen will.«
    Auch Miriamels Ärger war abgeklungen. »Vermutlich hast du in deiner Zeit auf dem Hochhorst oft genug etwas gemopst, ohne dich erwischen zu lassen. Es wäre also nur die gerechte Strafe.«
    »Ich? Etwas gemopst?«
    »Aus der Küche – ständig. Du hast es mir ja selbst erzählt, obwohl ich es schon wusste. Und wer hat die Schaufel des Totengräbers gestohlen und in den Kampfhandschuh der Rüstung in der Kleinen Halle gesteckt, sodass es aussah, als sei der edle Ritter Sowieso im Begriff, eine Latrinengrube auszuheben?«
    Überrascht, dass sie sich daran erinnerte, gab Simon ein leises, zufriedenes Glucksen von sich. »Jeremias war auch dabei.«
    »Du meinst, du hast ihn dazu verleitet! Jeremias hätte ohne dich nie so etwas angestellt.«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«
    Miriamel betrachtete ihn ärgerlich. »Ich habe es dir doch gesagt, Dummkopf. Wochenlang bin ich euch heimlich gefolgt.«
    »Tatsächlich?« Simon war beeindruckt. »Und was habt Ihr noch von mir gesehen?«
    »Meistens, wie du dich gedrückt und faul herumgesessen hast, wenn du arbeiten solltest«, erwiderte Miriamel bissig. »Kein Wunder, dass Rachel dir in die Ohren kneifen musste, bis sie blau waren.«
    Beleidigt richtete Simon sich auf. »Wenn ich mich davongeschlichen habe, dann nur, um auch einmal ein bisschen Zeit für mich zu haben. Ihr habt ja keine Ahnung vom Leben im Dienstbotenflügel.«
    Miriamel sah ihn an, und ihr Gesicht war auf einmal völlig ernst, sogar traurig. »Das stimmt. Aber du weißt auch nicht, wie mein Leben ausgesehen hat. Ich hatte auch nur selten die Möglichkeit, einmal etwas allein zu unternehmen.«
    »Kann sein«, beharrte Simon. »Aber ich wette, in Eurem Flügel des Hochhorsts war das Essen besser.«
    »Es war das gleiche Essen«, schoss sie sofort zurück. »Nur dass wir es mit sauberen Händen aßen.« Sie warf einen bedeutungsvollen Blick auf Simons von der Asche geschwärzte Finger.
    Er lachte schallend. »Aha! Der Unterschied zwischen einer Prinzessin und einem Küchenjungen besteht in den sauberen Händen. Ich enttäusche Euch äußerst ungern, Miriamel, aber wenn ich den ganzen Tag bis an die Ellenbogen im Spülwasser gesteckt habe, waren meine Hände immer ganz, ganz sauber.«
    Sie musterte ihn spöttisch. »Das heißt also, dass es zwischen den beiden überhaupt keinen Unterschied gibt.«
    »Ich weiß nicht.« Das Gespräch wurde Simon plötzlich unangenehm, es berührte empfindliche Stellen. »Ich weiß nicht, Miriamel.«
    Sie spürte, dass sich etwas verändert hatte, und verstummte. Ringsum zirpten melodisch Insekten, und die schattendunklen Bäume neigten sich über sie, als wollten sie lauschen. Seltsam, wieder im Wald zu sein, dachte Simon. Er hatte sich an die weiten Fernen gewöhnt, die man vom Gipfel des Sesuad’ra sehen konnte, an die endlose Fläche des Hoch-Thrithings. Der Aldheorte kam ihm jetzt wie ein Gefängnis vor. Aber auch eine Burg konnte ein Gefängnis sein und war doch der beste Schutz gegen Feinde. Vielleicht hatte Miriamel recht, und der Wald war zumindest für eine Weile ihre beste Zuflucht.
    »Ich gehe jetzt schlafen«, erklärte die Prinzessin unvermittelt. Sie stand auf und ging zu der Stelle, an der sie ihre Decken ausgerollt hatte.
    Simon stellte fest, dass sie die seinigen auf die entgegengesetzte Seite des Lagerfeuers gelegt hatte.
    »Wie Ihr wollt.« Er wusste nicht, ob sie schon wieder wütend auf ihn war. Vielleicht war ihr auch einfach der Gesprächsstoff ausgegangen. Das passierte ihm in ihrer Gegenwart auch manchmal, sobald die alltäglichen Dinge abgehandelt waren. Über die größeren Probleme zu reden fiel ihnen beiden schwer, brachte sie in Verlegenheit und machte ihnen vielleicht sogar Angst.
    »Ich bleibe noch ein bisschen hier sitzen.«
    Miriamel wickelte sich in ihren Mantel und legte sich hin. Simon betrachtete sie durch die tanzenden Flammen. Von den Pferden kam ein sanftes, zufrieden klingendes Geräusch.
    »Miriamel?«
    »Hm?«
    »Was ich in der Nacht, als wir losgeritten sind, zu Euch gesagt habe, das meinte ich auch so. Ich will Euer Beschützer sein, auch wenn Ihr mir nicht genau sagt, wovor ich Euch beschützen kann.«
    »Ich weiß, Simon.

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