Der Engelsturm
davon.
»Das nenne ich keck«, brummte Isgrimnur. »Euch kommen zu lassen!«
»Es war zuerst ihre Burg.« Josua lachte leise. »Auch wenn sie sie nicht zurückhaben möchten.«
Isgrimnur knurrte: »Solange sie uns helfen, die Bastarde dort drinnen zu verjagen, können wir wohl auch einen Besuch bei ihnen machen.« Er kniff die Augen zusammen. »Wer ist das denn?«
Auf dem Kamm des Berges hinter dem Lager der Sithi erschien ein einzelner Reiter. Er war größer und breiter gebaut als die Unsterblichen, hing aber erschöpft vornüber im Sattel.
»Gott sei gepriesen«, flüsterte Isgrimnur und stieß dann einen Freudenschrei aus. »Isorn! Ha, Isorn!« Er winkte mit den Armen. Der Reiter blickte auf und trieb sein Pferd den Hang hinunter.
»Ach, Vater«, sagte er, nachdem er abgestiegen war und der Herzog ihn in eine rückgratbrechende Umarmung gezogen hatte, »ich kann gar nicht sagen, wie schön es ist, dich wiederzusehen. Dieses brave Hernystiri-Ross«, er tätschelte den grauen Gaul, »hat fast die ganze Strecke von Naglimund hierher mit den Sithi mitgehalten. Aber sie reiten so schnell! Am Ende mussten wir zurückbleiben.«
»Schon gut, schon gut.« Isgrimnur kicherte fast vor Vergnügen. »Ich wünschte nur, ich hätte deine Mutter nicht in Nabban zurücklassen müssen. Gott schütze dich, Sohn, mir geht das Herz auf, wenn ich dich sehe.«
»Er hat recht«, stimmte Josua bei, »Euer Anblick macht uns alle froh. Wie geht es Eolair? Wie steht es in Hernystir? Jiriki hat kaum etwas gesagt.«
Isorn verbeugte sich müde. »Alles, was ich Euch berichten kann, sollt Ihr erfahren, Josua. Aber gibt es hier etwas zu essen? Und vielleicht auch etwas zu trinken?«
»Komm.« Isgrimnur legte den Arm um seinen langen Sohn. »Erlaube deinem alten Vater, sich für ein paar Minuten auf dich zu stützen– ich wurde in Nabban unter meinem Pferd begraben, wusstest du das? Aber es ist noch nicht aus mit mir! Wir wollen alle zusammen frühstücken. Heute Morgen hat uns Ädon gesegnet.«
Der Nachmittag hatte sich verdunkelt, und es war ein Wind aufgekommen, der an den Zeltwänden zerrte. Schweigende Sithi hatten schimmernde Lichtkugeln aufgestellt, die jetzt ihre volle Helligkeit entluden und strahlten wie kleine Sonnen.
Herzog Isgrimnur wurde allmählich unruhig. Sein Rücken peinigte ihn seit Stunden, und er hatte so lange auf Kissen gestützt auf der Erde gesessen – und wie, fragte er sich, brachte es ein Kriegsheer der Sithi fertig, auch noch Kissen mitzuschleppen –, dass er jetzt fürchtete, ohne fremde Hilfe überhaupt nicht mehr aufstehen zu können. Selbst Isorns Nähe genügte nicht, ihm die mürrische Stimmung zu vertreiben.
Die Sithi hatten Skali und seine Männer vernichtet, das hatte Isorn ihm als Erstes mitgeteilt. Die Unsterblichen hatten den Kopf des Thans von Kaldskryke in einem Sack nach Hernysadharc zurückgebracht. Isgrimnur wusste, dass er eigentlich jubeln sollte, weil der Mann, der ihm sein Herzogtum geraubt und so viel Unglück über Rimmersgard und Hernystir gebracht hatte, tot war, aber im Augenblick spürte er vor allem sein Alter und seine Schwäche, dazu eine gewisse zornige Beschämung. Die Rache, in Naglimund so laut von ihm geschworen, hatte ihm ein anderer nun genommen; wenn er Elvritshalla je wiederbekam, dann, weil die Sithi es ihm zurückgewonnen hatten. Das nagte an ihm. Der unglückliche Herzog musste sich sehr anstrengen, den Berichten, die Josua und die Unsterblichen so zu fesseln schienen, aufmerksam zuzuhören.
»Diese ganzen Ausführungen über Häuser und Sterne sind ja sehr schön«, bemerkte er griesgrämig, »aber was genau wollen wir tun?« Er kreuzte die Arme über der breiten Brust. Jemand musste schließlich dafür sorgen, dass die Dinge vorankamen. Diese Sithi waren wie ein Heer goldäugiger Josuas, anscheinend damit zufrieden, bis zum Tag des Abwägens zu schwatzen und zu grübeln – aber davon wurde der Hochhorst nicht erobert. »Wir haben Belagerungsmaschinen, wenn Ihr wisst, was das ist. Wir können nach und nach die Tore einrennenoder uns vielleicht sogar unter den Mauern durchgraben. Aber der Hochhorst ist stärker befestigt als jeder andere Ort in ganz Osten Ard, darum wird es dauern. Inzwischen steht Euer Erobererstern genau über unseren Köpfen.«
Likimeya, die Isgrimnur für die Königin der Sithi hielt, obgleich niemand sie mit diesem Titel anzureden schien, richtete den leicht schlangenhaften Blick auf ihn. Es erforderte die ganze Kraft des
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